In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz oder dem Saarland weigern sich die Kommunen, der entsprechenden Vereinbarung beizutreten. Nach wie vor lehnt der Bund es ab, die Gesundheitskosten der noch nicht anerkannten Asylsuchenden zu übernehmen. Nur in Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein tragen die Länder die über die Karte abgerechneten Gesundheitsausgaben. In den anderen Bundesländern müssen die Kommunen zumindest für einen Teil der Kosten selbst aufkommen. Viele Kommunen fürchten, dass der leichtere Zugang zur medizinischen Versorgung zu insgesamt höheren Ausgaben führt.
Gesundheitskarte für Flüchtlinge droht zu scheitern
Länder und Kommunen sperren sich zunehmend gegen die Gesundheitskarte für Asylsuchende. Während im Februar nur Bayern und Sachsen die Einführung der Gesundheitskarte abgelehnt hatten, wurde deren Einführung mittlerweile auch in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gestoppt.
Angst der Kommunen vor hohen Kosten ist unbegründet
Studien und die Evaluation der Gesundheitskarte in Hamburg zeigen, dass sich sogar Verwaltungskosten einsparen ließen. Gleichwohl sind derzeit nur wenige Kommunen bereit, die Gesundheitskarte für Asylsuchende anzubieten. In Nordrhein-Westfalen sind es derzeit nur 20 von 396 Kommunen.
Länder und Krankenkassen regeln Abrechnungsmodalitäten
Die vom Gesetzgeber geforderte Rahmenvereinbarung zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung auf Bundesebene ist erst Ende Mai abgeschlossen worden. Unterdessen haben die meisten Länder mit den Krankenkassen Vereinbarungen getroffen, in denen unter anderem die Erstattung für die Abrechnung der Gesundheitskosten geregelt ist. Üblicherweise werden pro Geflüchtetem im Monat acht Prozent der Leistungsaufwendungen, mindestens aber 10 Euro fällig. Auch diese Kosten sind vielen Kommunen zu hoch.
Bundesbürger mehrheitlich für Gesundheitskarte
Dabei sind laut einer repräsentativen Befragung der Bertelsmann Stiftung zwei von drei Bundesbürgern dafür, dass Flüchtlinge eine Gesundheitskarte erhalten und damit direkt einen Arzt aufsuchen können. Auch der Deutsche Ärztetag hat Ende Mai beschlossen, allen Geflüchteten – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – bundesweit und zeitnah eine vollwertige Krankenversicherungskarte auszuhändigen.
Zusatzinformationen
Zurzeit tragen die Kommunen die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen in den ersten 15 Monaten bzw. bis zu deren Anerkennung. Mit dem Asylbeschleunigungsgesetz (Asylpaket I) wurde Ende 2015 die Möglichkeit eröffnet, für Asylsuchende eine Gesundheitskarte mit eingeschränktem Leistungsanspruch einzuführen. Die Verantwortung für die Umsetzung wurde den Bundesländern übertragen. Vor 2015 gab es entsprechende Regelungen nur in Bremen und Hamburg. Die Expertise gibt den Umsetzungsstand bis Ende Februar 2016 wider. Die Aktualisierung bezieht sich auf den Stand bis Ende Mai 2016.
Hohe Zustimmung
66 Prozent der Bundesbürger befürworten die Gesundheitskarte für Flüchtlinge. TNS Emnid hat im Auftrag der Bertelsmann Stiftung Anfang März 1.008 Bürger und Bürgerinnen befragt, ob Flüchtlinge die Gesundheitskarte bekommen sollen. Unter der Maßgabe, dass geringere Kosten entstünden, stieg die Zustimmung sogar auf 80 Prozent.