Diskutanten am Tisch beim Event Demokratie im Stresstest

Frankreich nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen: Besteht die französische Demokratie den Stresstest?

Zwei Wahlen haben vor Kurzem in Frankreich stattgefunden. Emmanuel Macron wurde wiedergewählt, verlor aber seine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Wie lassen sich diese Ergebnisse interpretieren? Was bedeutet das für die französische Politik und für die EU? Wohin entwickelt sich die Demokratie in Frankreich?  

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Dr. Andrey Demidov
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Anna Rachel Heckhausen
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Inhalt

Darüber diskutierten wir in unserer neuen Reihe "Demokratie im Stresstest" in Berlin. Das Projekt "Demokratie und Partizipation in Europa“ kooperiert mit dem Berliner Think Tank Zentrum Liberale Moderne unter der Leitung von Ralf Fücks. Wir beleuchten, wie Demokratien in Frankreich, den USA, Israel, Polen, Ungarn und der EU mit den vielfältigen Herausforderungen der Gegenwart umgehen.

Inputs gab es von Claire Demesmay, Expertin für deutsch-französische Beziehungen im Deutsch-Französischen Jugendwerk, und der Frankreich-Korrespondentin der FAZ, Michaela Wiegel. Anschließend folgte eine offene Diskussion (Chatham-House-Regeln) zwischen vielfältigen Gästen aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. 

Schwindendes Vertrauen in traditionelle Institutionen, neue Spaltungen und Identitätskrise: das Stressmenü für die französische Demokratie 

Die französischen Bürger:innen haben immer noch Vertrauen in die demokratischen Qualitäten ihres politischen Systems als Ganzes, aber sie verlieren das Vertrauen in Politiker:innen, so die beiden Rednerinnen. Die Bürger:innen stehen der traditionellen repräsentativen Politik und den Institutionen skeptisch gegenüber und nehmen das Establishment als distanziert wahr.  

Die traditionelle Parteipolitik wird auch durch das Entstehen zweier neuer gesellschaftlicher Gräben herausgefordert: die sozio-geographische und die generationelle Kluft. Emmanuel Macron und Marine Le Pen haben die Stimmen der "städtischen" bzw. der "ländlichen" Bevölkerung gewonnen. Die jungen Wählerinnen und Wähler ließen sich von Macrons Versprechen nicht beeindrucken und neigen dazu, andere politische Alternativen zu unterstützen.  Diese Verschiebungen finden in einer Zeit statt, in der Frankreich eine Identitätskrise als Weltmacht durchlebt. Das erklärt vielleicht die häufigen Verweise, wenn nicht sogar die Verherrlichung der Jahre des gaullistischen Frankreichs - sowohl durch Macron als auch durch Le Pen.  

Ist die französische Demokratie widerstandsfähig genug?

Beide Redner:innen waren sich einig, dass die Antwort darauf "ja" lautet. Insgesamt ist die politische Landschaft in Frankreich, anders als beispielsweise in Deutschland, extrem unbeständig. Dieser Wandel mag für Wähler:innen nicht besonders angenehm sein, laut den Redner:innen ist er für eine wünschenswerte demokratische Erneuerung jedoch durchaus notwendig. Die Erneuerung nimmt bereits Gestalt an: Bürger:innen sind bereit, sich durch innovative Formate wie Bürgerversammlungen stärker zu beteiligen und die politischen Parteien werden dazu gedrängt, ihre Programme zu überarbeiten, um sich den dringendsten Herausforderungen wie dem Klimawandel zu stellen. Das Fazit war positiver als zu Anfang gedacht: Die "neue" französische Demokratie ist lebendiger als vielfach wahrgenommen.

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