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Die USA nach den Midterm-Wahlen: Besteht die amerikanische Demokratie den Stresstest?

Was sagen die Ergebnisse der US-Zwischenwahlen über den aktuellen Zustand der amerikanischen Demokratie aus? Besteht sie ihren Stresstest?

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Dr. Andrey Demidov
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Anna Rachel Heckhausen
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Diese Fragen standen im Mittelpunkt der zweiten Diskussionsrunde der Reihe "Demokratie im Stresstest", die am 10. November in Zusammenarbeit zwischen dem Projekt "Demokratie und Partizipation" der Bertelsmann Stiftung und dem Berliner Think Tank Zentrum Liberale Moderne stattfand. 

Nach der Begrüßung durch Dominik Hierlemann leiteten unsere Kolleginnen Cathryn Clüver Ashbrook und Rachel Tausendfreund, Redaktionsleiterin beim German Marshall Fund of the United States of America, den Runden Tisch mit Impulsen ein. Im Anschluss an ihre Analysen beteiligte sich ein buntes Publikum aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an der Diskussion.

Eine gute Nacht für die Demokraten, aber eine unsichere Zeit für die Demokratie

Die Demokraten haben bei den Senatswahlen entscheidende Staaten gewonnen und, wie sich später herausstellte, die Mehrheit im Senat gesichert. Die befürchtete "rote Welle" ist ausgeblieben, und anders als von vielen befürchtet, werden die Wahlergebnisse von den weniger erfolgreichen Kandidat:innen nicht öffentlich in Frage gestellt. Insgesamt sind die Demokraten weitgehend ungeschoren und mit den geringsten Wahlverlusten in der Geschichte ihrer Zwischenwahlen davongekommen. Die Rückkehr von Donald Trump an die Macht steht nun mehr in Frage als zuvor, die finanzielle Unterstützung für die Ukraine wird vorerst aufrechterhalten, und die Wähler:innen haben deutlich gemacht, dass sie umstrittene Maßnahmen wie die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Abtreibung kritisch bewerten. Die besorgte Bevölkerung kann endlich aufatmen.

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Umstrittene Normen, ein brüchiges Wahlsystem und zerfallender gesellschaftlicher Zusammenhalt

Diese optimistischen Ergebnisse sollten jedoch nicht täuschen. Beide Rednerinnen warnten vor diversen klaren Risiken und Bedrohungen. Die amerikanische Demokratie war schon immer stark von großen, wertebasierten Erzählungen abhängig und erlebt derzeit eine Anfechtung dieser Erzählungen. Das “Skelett der Institutionen hält zwar noch, aber das Knochenmark erodiert", betonte Cathryn Clüver Ashbrook und wies darauf hin, dass die so genannten Wahlverweigerer und die Medien Nihilismus und Relativismus in den öffentlichen Diskurs einbringen und damit die Glaubwürdigkeit des Systems untergraben. 

Auch die Stabilität des US-Wahlsystems ist erschüttert. Die Zeit bis zu den Zwischenwahlen wird in Erinnerung bleiben durch aktives Gerrymandering, Filibuster, rechtliche Anfechtungen der Wahlergebnisse, den Zustrom von "dunklem Geld" (Kryptogeld) in den Wahlkampf - ein neues Spektrum von Herausforderungen für die US-Wahldemokratie.

Schließlich fanden diese Zwischenwahlen in einer Atmosphäre nie dagewesener Polarisierung statt. Der gesellschaftliche Diskurs wird geprägt von Kulturkriegen, wachsender Feindseligkeit zwischen gesellschaftlichen Gruppen und dem Kampf zwischen zwei Vorstellungen davon, was es bedeutet, die Demokratie zu schützen: die Einhaltung der Regeln oder die Bereitschaft, imaginäre "gestohlene Wahlen" mit offen getragenen Waffen zu verteidigen.  

Der Missbrauch institutioneller Schlupflöcher, die Anfechtung von Grundnormen und die oft absichtlich herbeigeführte kulturelle und gesellschaftliche Entfremdung und Polarisierung - das "Menü der Herausforderungen" für die US-Demokratie bleibt vielfältig.  

Die Aussichten: Die Bürger:innen sind die gute Nachricht, doch das System steht weiterhin unter Druck

Beide Rednerinnen waren sich einig, dass die Widerstandsfähigkeit der US-Demokratie von ihren Bürger:innen ausgeht. Es waren die amerikanischen Wähler:innen, die sich über das Ausmaß der Wahlmanipulationen und Kulturkriege große Sorgen machten, die sich von den Medien und der Rhetorik der Kandidat:innen nicht beirren ließen, sich mobilisierten und zu den Wahlen gingen. Bei den aktuellen Zwischenwahlen gab es eine noch nie gesehene Wahlbeteiligung und eine besonders aktive Beteiligung der Generation Z, wie Rachel Tausendfreund feststellte.

Die Gesamtprognose für die Zukunft war dennoch vorsichtig. Trump wird vielleicht nicht wieder an die Macht kommen, doch die Republikanische Partei ist eher geeint als zerstritten. Die Spaltung der Gesellschaft wird vorerst weiterbestehen. Unterstützung für die Ukraine ist zwar vorerst gesichert, könnte aber zu einem ernsten Streitpunkt zwischen Demokraten und Republikanern werden und muss vielleicht neu verhandelt werden. Die Demokraten haben ihren Sieg errungen, aber es muss noch deutlich mehr getan werden, um die Risse in der amerikanischen Demokratie zu kitten.