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Der Niedriglohnsektor in der Corona-Krise – welche Auswirkungen hat die Krise auf prekäre Beschäftigung und die Debatten um den Mindestlohn?

In dem zweiten Teil der digitalen Fachgesprächsreihe „Nachgefragt“ zum Arbeitsmarkt in der Corona-Krise stand die Frage nach den Auswirkungen der Krise auf den Niedriglohnsektor und die Debatten um den Mindestlohn im Zentrum der Diskussion.

Inhalt

Zu Beginn der Veranstaltung präsentierte Markus M. Grabka, Senior Researcher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, die zentralen Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie „Der Niedriglohnsektor in Deutschland. Falle oder Sprungbrett für Beschäftigte?“ und legte dabei den Fokus auf die Entwicklungen im Niedriglohnsektor vor der Corona-Krise. Grabka veranschaulichte, dass die Anzahl niedrig entlohnter Beschäftigter zwischen 1995 und 2018 um gut 60 Prozent auf 7,7 Millionen angestiegen war. Besonders betroffen seien Frauen, Ostdeutsche, Geringqualifizierte und Minijobber, wobei zunehmend auch qualifizierte Beschäftigte zum Niedriglohn arbeiteten.

Nicole Gürtzgen, Leiterin des Forschungsbereichs Arbeitsmarktprozesse und Institutionen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), ging anschließend auf die Frage ein, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf die Beschäftigten im Niedriglohnsektor hat und wie sich diese für verschiedene Gruppen unterscheiden. Vor allem in Kleinstbetrieben und im Bereich der Dienstleistungen kam es überdurchschnittlich häufig zu Entlassungen und auch die Zahl offener Stellen hat sich seit Beginn des Shutdowns in diesem Bereich drastisch reduziert. Dies könne als erste indirekte Evidenz dafür gesehen werden, dass NiedriglöhnerInnen besonders stark unter den Folgen der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt zu leiden hätten und wies auf die Gefahr eines „No-Pay-Low-Pay-Circles“ hin.

Holger Bonin, Forschungsdirektor am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), thematisierte in seinem Input die Implikationen der Krise für die Debatte um den gesetzlichen Mindestlohn. So habe seine Einführung in der Vergangenheit für eine substantielle Erhöhung des Stundenlohns am unteren Rand der Lohnverteilung gesorgt, den Niedriglohnsektor allerdings nicht substanziell verkleinert. Die nun beschlossene Schrittweise Erhöhung bewertete Bonin als "happig"– sie ginge aus seiner Sicht mit Risiken für bestimmte Regionen und Branchen einher. Als Alternative sei eine regional differenzierte Ausgestaltung des Mindestlohnes in Form von sogenannten „Living Wages“ denkbar.

Bei den Rückfragen und Kommentaren ging es primär um mögliche Reformen zur Eindämmung des Niedriglohnsektors und die von Holger Bonin vorgeschlagene Alternative der regionalen Mindestlöhne. So wies ein Teilnehmer, der ebenfalls Mitglied der Mindestlohnkommission ist, auf die zunehmend schwerer werdenden Kontrollen bei regionalen Mindestlöhnen hin.

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Zur Dialogreihe

Mit der Dialogreihe Nachgefragt möchte das Projekt Beschäftigung im Wandel regelmäßig aktuelle arbeitsmarkt- und sozialpolitische Fragestellungen mit EntscheiderInnen sowie StakeholderInnen und MultiplikatorInnen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft diskutieren. Im Zentrum der Veranstaltungen steht jeweils eine prägnante Frage, die durch aktuelle Studienergebnisse aus der Projektarbeit hinterlegt ist und gemeinsam mit InputgeberInnnen vor dem Hintergrund aktueller arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Entwicklungen diskutiert wird.