Veit Mette

, Sozialer Aufstieg: Mittelschicht schrumpft seit 15 Jahren

Immer weniger Menschen gelingt der Aufstieg aus den unteren Einkommen in die Mittelschicht. Selbst eine gute Ausbildung ist heute kein Garant mehr für ein Leben in gesichertem Wohlstand.

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Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft. Seit 1997 ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung um 5,5 Millionen Menschen oder von 65 auf 58 Prozent zurückgegangen. Besonders ausgeprägt ist dieser Rückgang in der unteren Hälfte der Einkommensmittelschichten, deren Anteil sogar um 15 Prozent geringer ist. Umgekehrt ist der Anteil der Menschen in den unteren und untersten Einkommensschichten um knapp vier Millionen Personen gewachsen.

Gleichzeitig macht sich in den Mittelschichten inzwischen jeder Vierte latente Sorgen, seinen heutigen Status zu verlieren. Das sind deutlich mehr Deutsche als noch vor 10 Jahren. Der Grund für die Entwicklung: Immer weniger Menschen gelingt der Aufstieg aus den unteren Einkommen in die Mittelschicht. Und selbst eine gute Ausbildung ist heute kein Garant mehr für ein Leben in gesichertem Wohlstand.

Zwei Entwicklungen bestimmen dabei die Dynamik der gesellschaftlichen Mitte. Der Aufstieg in die Mittelschicht gelingt immer seltener. Die Mitte wächst nicht mehr durch einen Zustrom aus unteren Einkommensschichten, und Verharrungstendenzen nehmen zu. Gleichzeitig verfügt die Mittelschicht aber über zunehmend bessere Bildung und höhere berufliche Positionen. Zudem bestehen weiterhin Aufstiegschancen aus der Mitte heraus nach oben. Auch aus diesem Grund schrumpft die Mittelschicht.

Aufwärtsmobilität auf breiter Front ist eine Grundvoraussetzung für die Soziale Marktwirtschaft und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Alle müssen eine realistische Chance haben, durch eigene Anstrengung die ökonomische Leiter hinaufzuklettern.
(Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender Bertelsmann Stiftung)

Die Entwicklung der Vermögen verläuft ähnlich den Einkommen. Die mittleren Vermögensgruppen verzeichnen zwischen den Jahren 1995 und 2010 einen Rückgang um knapp 6 Prozent. Diese Entwicklung ist aber in Westdeutschland ausgeprägter als in Ostdeutschland. Dabei spiegeln sich die Einkommens- und Vermögensentwicklung auch im Bewusstsein der Menschen. Fragt man die Mittelschicht nach ihren Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation, so sind diese in den letzten 10 Jahren angestiegen. Große materielle Sorgen machen sich heute etwa 25 Prozent. Zugleich ist der Anteil derer, die angeben, sich keine Sorgen zu machen, gesunken.

Ursachen sind vielfältig

Drei Ursachen können für die Entwicklung der Einkommensmittelschicht in Deutschland identifiziert werden: Veränderungen in der Haushaltsstruktur, Steuerreformen und ein Wandel der Strukturen des Arbeitsmarktes. Mehr Einpersonenhaushalte führen zu größerer Einkommensungleichheit, da keine Ersparnisse durch gemeinsames Wirtschaften wie in größeren Haushalten erzielt werden. Die Steuerreformen seit Mitte der 1990er Jahre führten zu einer Senkung des Spitzensteuersatzes. Davon profitierten einkommensstarke Personen überproportional. Die Mittelschicht wurde dagegen deutlich weniger von den geänderten Steuertarifen entlastet. Schließlich kam es durch Arbeitsmarktreformen zu einem Rückgang bei den Normalarbeitsverhältnissen. Die entstandenen atypischen Beschäftigungsverhältnisse sind in der Regel durch eine unterdurchschnittliche Entlohnung gezeichnet.

Die Studie bietet eine umfassende Beurteilung der Entwicklung der Mittelschicht anhand empirischer Daten und wurde im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bremen erstellt. In der Studie wurden verschiedene Definitionen der Mittelschicht unter Berücksichtigung von Bildung, Beruf, Vermögen und Einkommen herangezogen. Dafür wurde auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) zurückgegriffen.

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