Das Geschwister-Scholl-Gymnasium (GSG) Pulheim ist eine Schule der Vielfalt. Die bewusste Öffnung für das inklusive Lernen und die Arbeit mit Flüchtlingskindern spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Nach intensiven Vorarbeiten und einem breiten Diskussions- und Partizipationsprozess mit allen Gruppen der Schulgemeinschaft nimmt das Gymnasium seit dem Schuljahr 2013/14 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf. Seither wird pro Jahrgang eine Klasse des gemeinsamen Lernens gebildet. Derzeit besuchen über 1500 Schüler von der fünften bis zur zwölften Klasse das GSG, darunter 190 Kinder mit Migrationshintergrund und 17 Kinder mit unterschiedlichen Förderbedarfen.
Im laufenden Schuljahr wurden zudem zwei internationale Willkommensklassen eingerichtet. Ziel der Schule ist es, die neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen aufzufangen, ihnen grundlegende Deutschkenntnisse zu vermitteln und sie so schnell wie möglich in die Regelklassen zu inkludieren. All dies zeigt das weit gefasste Inklusionsverständnis des Gymnasiums. Leistung und Inklusion bilden dabei keinen Widerspruch: Im vergangenen Schuljahr erreichten bei 172 zugelassenen Abiturprüfungen fast alle Schüler die Hochschulreife; 33 Prozent mit einen Notendurchschnitt von 1,9 und höher.
Grundvoraussetzung für gelingende Inklusion am GSG ist ein hohes Maß an Kooperation und Teamfähigkeit aller Beteiligten. Jede Klasse des gemeinsamen Lernens wird durchgehend im Tandem von Regelschullehrkraft und Förderschullehrkraft unterrichtet. Eine Diplompädagogin koordiniert die Teams des Gemeinsamen Lernens und ist Ansprechpartnerin für alle. Darüber hinaus übernimmt sie die interne Supervision der Teams. Sie formuliert die Haltung, die an der Schule gelebt wird, wie folgt: „Wir sind in erster Linie eine Schule und dann ein Gymnasium!“. In diesem Statement wird die Kultur der Schule deutlich. Alle Kinder können - dauerhaft oder phasenweise - von der zusätzlichen Expertise der Sonderpädagogen profitieren. Jedes Kind wird individuell gefördert, sodass alle ihre größtmögliche Leistung erbringen können. Das alltägliche Schulleben ist dabei geprägt durch die drei Leitgedanken: „Fundierte Bildung“, „Zivilcourage“ und „Soziale Kompetenz“.
Alle Unterrichtsfächer werden im Doppelstunden-Rhythmus unterrichtet. Diese Vorgehensweise begrenzt die Zahl der Fächer und Themen im Laufe eines Tages und ermöglicht die Nutzung individualisierter Lernformen und ein Arbeiten im eigenen Tempo. Zusätzlich stehen allen Schülern der fünften bis neunten Jahrgangsstufe wöchentlich zwei 90 Minuten-Einheiten als freie Lernzeiten zur Verfügung. In dieser Zeit können sie eine individuelle Vertiefung der Lerninhalte vornehmen, sich entspannen und begegnen, die Zeiten aber auch für Freizeitaktivitäten nutzen. Dabei wird den Schülern zugetraut, sich frei durch das Schulgebäude zu bewegen und auch außerschulische Lernräume eigenverantwortlich aufzusuchen. Ein zentraler Lernort für die Schüler ist die Bibliothek („Hermines Buchclub“). Dieser wird von älteren Schülern in ihrer freien Lernzeit selbstständig geleitet. In den drei Räumen der Jugendhilfe, dem „Casa`la“, können die Schüler in ihrer freien Lernzeit oder während der Pausenzeiten an unterschiedlichen Projekten arbeiten. Sie werden dabei von den Mitarbeitern der Jugendhilfe betreut.
Damit Inklusion am GSG gelingen kann, hat die Schule bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen. Während in der sechsten Klasse die zweite Fremdsprache eingeführt wird, haben die Schüler mit Förderbedarf die Möglichkeit, parallel hierzu in den Fächern Werken und Kochen erste praktische Erfahrungen zu sammeln, um frühzeitig auf das spätere Berufsleben vorbereitet zu werden. Der Werk- und Kochunterricht findet im wenige Gehminuten entfernten Jugendzentrum „Pogo“ statt und wird von den Schülern selbstständig aufgesucht.
Bemerkenswert ist auch die Möglichkeit der flexiblen Leistungserbringung ohne Zeitdruck. Die Schüler im gemeinsamen Unterricht erhalten die Möglichkeit, ihre Leistung zu einem individuell festgelegten Zeitpunkt zu erbringen und schriftliche Aufgaben gegebenenfalls nachträglich noch einmal zu überarbeiten. Dabei können mündliche Prüfungen, Portfolio- und Projektarbeiten oder Präsentationsprüfungen die herkömmliche Klassenarbeit ersetzen. Derzeit werden auch individuelle Varianten von schriftlichen Prüfungen bzw. Klassenarbeiten im Gemeinsamen Unterricht erprobt.
Die Schüler werden regelmäßig aktiv in die Schul- und Unterrichtsentwicklung mit einbezogen. Hierzu dient beispielsweise die regelmäßig angewandte Methode des Soziokratiekreises, an dem auch die Schüler mit Förderbedarf selbstverständlich teilhaben und so ihre Meinung einbringen können. Die Leitung der Abstimmungsrunde wird dabei von zwei Kindern übernommen. Jedes Kind im Kreis kommt nacheinander zu Wort und nimmt auf diese Weise am Entscheidungsprozess teil. Dabei lernen die Schüler selbstbestimmt zu handeln und erhalten Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess.
Auch die Eltern werden am GSG in die Schulbelange mit eingezogen. Beispielsweise leiten sie den pädagogischen Trainingsraum der Schule. Hier werden Schüler aufgefangen, die zeitweise nicht am Unterricht teilnehmen können. Gemeinsam mit den dafür geschulten Eltern reflektieren sie ihr Arbeits- oder Sozialverhalten und suchen potenzielle Lösungen für die Zukunft. Darüber hinaus arbeiten die Eltern in offenen Arbeitsgruppen an der inklusiven Schulentwicklung mit.
Das Schulprofil „Vielfalt“ wird am GSG auf vielen Ebenen unterstützt. Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, hat die Schule in ihren Räumlichkeiten beispielsweise eine Kindertagesstätte für den Nachwuchs der Lehrkräfte bis zu einem Alter von drei Jahren eingerichtet. Besonders vorbildlich ist auch die Organisation und Sauberkeit der Schul-Toiletten. Diese werden mit einem freiwilligen Jahresbeitrag von 17 Euro durch die Eltern finanziert. Dafür wurden vier Reinigungskräfte auf 450€-Basis angestellt. Die Toilettenräume werden so täglich in der Zeit von 7.30-16.15 Uhr beaufsichtigt. Das Personal gehört ganz selbstverständlich zur Schulgemeinschaft und steht allen Schülern bei persönlichen Fragen zur Verfügung. Auch Hygieneartikel sind hier im Notfall erhältlich. Insgesamt hat sich das Geschwister-Scholl-Gymnasium in bemerkenswerter Weise für das Thema Inklusion geöffnet. Mit großem Engagement führt die Schulleitung den Dialog mit Politik und Verwaltung, um die Rahmenbedingungen für ein inklusives Gymnasium weiter zu verbessern und schulrechtliche Hindernisse zu überwinden. Zudem hat sie zahlreiche Kooperationen mit außerschulischen Partnern geschlossen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Das GSG öffnet stets die Türen, um allen Interessierten durch Hospitationen Einblicke in seine inklusive Arbeit zu ermöglichen. Darüber hinaus stellt die Schule durch zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften, Vorträgen und Workshops ihr inklusives Selbstverständnis unter Beweis. So wird am GSG wird beispielhaft deutlich, dass Inklusion auch am Gymnasium erfolgreich gelingen kann und dass alle Schüler von den inklusiven Lernarrangements und der intensiven Betreuung gleichermaßen profitieren.
Die Schulportraits sind jeweils zum Zeitpunkt der Verleihung des Jakob Muth-Preises entstanden und bilden die Schule zu dem entsprechenden Zeitpunkt in ihrer pädagogischen und didaktischen Arbeit ab. Inzwischen können sich Änderungen ergeben haben. Wir bemühen uns, die Webadressen aktuell zu halten.
Kontakt:
Geschwister-Scholl-Gymnasium
Hackenbroicher Straße 66a
50259 Pulheim
buero@scholl-gymnasium.de
www.scholl-gymnasium.de
Schulleitung zum Zeitpunkt der Bewerbung: Andreas Niessen