Hohe Beschäftigung und stabiles Wachstum: Deutschland geht es wirtschaftlich gut. Dazu beigetragen hat auch die Lohnzurückhaltung im vergangenen Jahrzehnt. Nun findet eine Trendumkehr statt: Die Löhne steigen. Doch die ungleiche Verteilung der Lohnzuwächse erhöht die soziale Ungleichheit. Gesucht sind neue Konzepte für inklusives Wachstum.
Die Lohneinkommen der Beschäftigten in Deutschland werden bis 2020 steigen. Allerdings wird gleichzeitig die Lohnungleichheit zunehmen. Geringverdiener, Sozialberufe, Dienstleister und Haushalte mit Kindern profitieren unterdurchschnittlich. An dieser Entwicklung ändert auch das aktuelle staatliche Umverteilungssystem nichts. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit der Prognos AG.
Steigende Löhne treiben das durchschnittliche verfügbare Jahreseinkommen für einen Beschäftigten im Jahr 2020 gegenüber 2012 inflationsbereinigt um 2.200 Euro nach oben. Zu dieser Prognose kommen die Wirtschaftswissenschaftler in einer Simulationsberechnung künftiger Arbeitseinkommen auf der Grundlage von Vorausschätzungen zu Wirtschafts-, Produktivitäts- und Lohnentwicklungen in Deutschland und einer Analyse der aktuellen Ausgangslage. So wird sich das jährlich verfügbare Einkommen der Beschäftigten, deren Verdienst im oberen Fünftel liegt, im Durchschnitt um real 5.300 Euro erhöhen. Die unteren 20 Prozent können nur mit einem durchschnittlichen Zuwachs von 750 Euro rechnen. 2012 lag das durchschnittliche Einkommen nach Steuern und Transfers im oberen Fünftel bei 54.700 Euro, im unteren Fünftel bei 7.200 Euro. Die steigenden Löhne führen der Studie nach bis 2020 zu einem Anstieg bei den Top-20-Prozent auf 60.000 Euro beziehungsweise der unteren 20 Prozent auf 7.950 Euro.
Demographie und Fachkräftebedarf treiben die Löhne
Ganz neu ist das Ende der Lohnzurückhaltung nicht, denn schon seit 2010 werden Wachstumsgewinne wieder stärker an die Arbeitnehmer weitergegeben. Die Studie geht davon aus, dass dieser Trend auch in den kommenden Jahren anhalten wird. Ursachen sind der demographische Wandel und der Fachkräftemangel, die höhere Lohnabschlüsse begünstigen. Dies treibt die Löhne allerdings nicht in allen Wirtschaftszweigen gleichermaßen, denn entscheidend für die konkrete Lohnentwicklung sind die jeweiligen Produktivitätszuwächse. Und die fallen von Branche zu Branche unterschiedlich aus.
Deshalb weichen auch die zu erwartenden Lohnzuwächse in den einzelnen Branchen zum Teil erheblich voneinander ab. So wird das durchschnittliche verfügbare Jahreseinkommen pro Beschäftigtem im Gesundheits- und Sozialwesen im Jahr 2020 lediglich 1.050 Euro höher sein als 2012. Die Beschäftigten in der chemischen und pharmazeutischen Industrie hingegen können in diesem Zeitraum von einem Anstieg um 6.200 Euro ausgehen.
Trend benachteiligt Familien mit Kindern
Überdurchschnittlich steigen werden die verfügbaren Haushaltseinkommen in kinderlosen Haushalten: Ein-Personen-Haushalte werden im Schnitt 2.000 Euro im Jahr mehr zur Verfügung haben als noch 2012, Paare ohne Kinder sogar 2.100 Euro. Paare mit Kindern können dagegen nur einen Zuwachs von 1.650 Euro im verfügbaren Haushaltseinkommen erwarten, Alleinerziehende von lediglich 1.300 Euro. Eine der Ursachen ist, dass Alleinerziehende häufig im Einzelhandel und Gesundheits- beziehungsweise Sozialwesen beschäftigt sind – Branchen mit langsamer wachsenden Löhnen. Bei den fünf Branchen mit den höchsten Produktivitätszuwächsen handelt es sich ausschließlich um Sektoren aus dem verarbeitenden Gewerbe. Die Branchen mit den geringsten prozentualen Produktivitätsanstiegen sind überwiegend im Dienstleistungssektor angesiedelt.