Experten aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft diskutieren auf einer Konferenz der Bertelsmann Stiftung die Herausforderungen und zukünftige Ausrichtung der Europäischen Nachbarschaftspolitik. Die EU muss in der Nachbarschaft entschiedener auftreten und positive Entwicklungen unterstützen.
„Haben wir es bei unseren Nachbarn noch mit einem ‚ring of friends‘ oder nicht vielmehr mit einem ‚ring of fire‘ zu tun?“, verwies Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, auf die politischen Umwälzungen in den Nachbarstaaten der EU. Deren Auswirkungen und die Frage, wie die EU in ihrer Nachbarschaftspolitik darauf reagieren müsse, bildeten den Hintergrund einer eintägigen Konferenz der Bertelsmann Stiftung in Berlin.
Gut 100 Teilnehmer diskutierten die Erwartungen der EU und der Nachbarstaaten an eine zukünftige ENP sowie die notwendigen Instrumente und Institutionen für eine effektive Politik.
Die Impulsvorträge und Diskussionen zeigten, wie hoch die beiderseitigen Erwartungen an die Nachbarschaftspolitik sind. Einige Nachbarstaaten wünschen sich die notwendige finanzielle und immaterielle Unterstützung auf ihrem Weg hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, andere wünschen sich eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die EU möchte vor allem Frieden, Stabilität und Wohlstand in den Nachbarstaaten sehen. Auch Hindernisse wie die mangelnde Finanzierung und die komplexen Institutionen der EU wurden debattiert.
Reformen für eine effektivere ENP
Michael Köhler, Vertreter der EU Kommission, betonte, dass die ENP vor allem die bereits existierenden Instrumente effektiver anwenden solle und die EU-Mitgliedstaaten sich verstärkt einbringen müssen. Neue Finanzinstrumente müssen gefunden werden, um die vielfältigen Herausforderungen zu meistern.
Es herrschte Konsens unter den Teilnehmern, dass die ENP der Zukunft sich nicht länger nur auf die geographisch direkten Nachbarn der EU konzentrieren dürfe. Die Vermeidung und Lösung von Krisen machten es notwendig, dass die Großregion als Ganzes ins Auge gefasst werde. Eine klare Linie und offene Kommunikation der Ziele der ENP sollten vermeiden, dass geostrategische Konflikte ihre Erfolge zunichtemachen. Zudem müssten die Nachbarstaaten stärker befähigt werden, regionale Konflikte in multilateralen Foren zu lösen.
Elmar Brok, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, hob hervor, dass die europäische Friedensordnung nicht durch Konkurrenz mit Russland gefährdet werden dürfe. Die ENP müsse stets die Tür offen halten für gute Beziehungen zu Nachbarn und deren Nachbarn.
Impulse zur zukünftige Kooperation der EU in der Großregion gaben Österreichs Kanzler a.D. Wolfgang Schüssel und Fathallah Sijilmassi, Generalsekretär der Mittelmeerunion.
Ob Anreizsysteme unter dem Stichwort „more for more – less for less“ die gewünschten Effekte erzielen, oder ob die EU nicht im Gegenteil „more for less“, also mehr Entgegenkommen bei weniger Leistungsfähigkeit der Nachbarstaaten, bieten solle, wurde kontrovers diskutiert.
Erwartungen synthetisieren zu konkreten Vorschlägen
Viele interessante Anstöße wird die Bertelsmann Stiftung in einem für das kommende Jahr geplanten Strategiepapier aufnehmen. Ziel ist es, die ausgedrückten Erwartungen zu bündeln, und konkrete Instrumente sowie inhaltliche Schwerpunkte für die zukünftige ENP vorzuschlagen.


