Bewegungsunschärfe von Menschen zu Fuß im Bahnhof

Trotz erheblichen Fachkräftemangels: Nur wenige Unternehmen werben Personal im Ausland an

Die Personalengpässe in der deutschen Wirtschaft verbleiben auf einem sehr hohen Niveau. Vor allem Menschen mit Berufsausbildung werden gesucht. Trotzdem setzt noch nicht einmal jedes fünfte Unternehmen auf Fachkräfte aus dem Ausland. Das erweiterte Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat noch nicht die gewünschte Wirkung entfaltet.

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Dr. Susanne U. Schultz
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Ulrich Kober
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Der Personalmangel in der deutschen Wirtschaft liegt weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. 68 Prozent der Entscheider:innen in Unternehmen in Deutschland berichten von Fachkräfteengpässen in ihren Betrieben. Das ergab eine repräsentative Civey-Befragung mit einer Stichprobe von 7.500 befragten Unternehmensentscheider:innen für den neuen Policy Brief "Fachkräfteengpässe und Zuwanderung aus Unternehmenssicht in Deutschland 2024: Die Bedarfe bleiben hoch" unserer Stiftung. 2023 hatten gut 70 Prozent der Unternehmen über fehlendes Personal geklagt, 2022 sogar knapp drei Viertel (73 Prozent). Die Bedarfe unterscheiden sich je nach Branche, Qualifikation und Region.

Insbesondere die Nachfrage nach Personen mit Berufsausbildung bleibt weiter hoch, geht allerdings in diesem Jahr leicht zurück: 53 Prozent der befragten Betriebe melden hier Bedarf an, während nur knapp 30 Prozent von ihnen Akademiker:innen fehlen. Unterschiede in den Bedarfen zwischen den Unternehmensgrößen haben sich über alle Qualifikationsstufen in den letzten Jahren zunehmend angeglichen. Größere Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten sind immer noch häufiger von Engpässen bei Akademiker:innen betroffen.

Hinsichtlich der betroffenen Branchen gibt es kaum Veränderungen: An Fachkräften mangelt es vor allem im Bau und im Handwerk, im Tourismus sowie in der Alten- und Krankenpflege. Allerdings sinken die Bedarfe gegenüber dem Vorjahr in fast allen Branchen um 10 Prozentpunkte, in der Automobilbranche sogar um knapp 20 Prozent. "Mittlerweile betrifft der Personalmangel fast alle Berufe, Branchen und Regionen und ist selbst zum Wachstumshemmnis geworden. Da ist es umso überraschender, dass die Akquise von Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern für den größten Teil der Unternehmen noch immer kein Thema ist", sagt unsere Expertin für Migrationspolitik Susanne Schultz. "Angesichts des demografischen Wandels kann Deutschland ohne Zuwanderung seinen Wohlstand nicht sichern", betont die Expertin.

Anwerbung ausländischer Fachkräfte spielt weiterhin eine geringe Rolle

Nicht mal jedes fünfte Unternehmen (18 Prozent) sucht im Ausland nach neuen Mitarbeiter:innen. Stattdessen setzen Unternehmen auf Aus- und Weiterbildung im eigenen Betrieb, auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als auch die regelmäßige Erhöhung des Entgelts, um mehr Fachkräfte zu gewinnen. Zugleich geht weniger als ein Viertel der befragten Entscheider:innen davon aus, dass in Deutschland ausreichend Personal zur Verfügung steht. Im letzten Jahr waren es noch knapp 30 Prozent.

Das Bewusstsein, Engpässen aktiv entgegenwirken zu müssen, scheint bei den Unternehmen angekommen zu sein, allerdings bestehen weiterhin Hürden zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte.

Susanne Schultz, Expertin der Bertelsmann Stiftung für Migrationspolitik

Die Zurückhaltung hat verschiedene Gründe. Am häufigsten führen die Unternehmen sprachliche Barrieren aber auch, viel stärker als im Vorjahr, bürokratische Hürden an; darüber hinaus, nennen Entscheider:innen, falsche Vorstellungen von Bewerber:innen, Schwierigkeiten, Qualifikationen einzuschätzen sowie ausländische Berufsabschlüsse anzuerkennen als Hindernisse im Anwerbeprozess.

Die sukzessive Erweiterung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) hat im vergangenen Jahr die rechtlichen Grundlagen für eine erleichterte Anwerbung aus dem Ausland erweitert, unter anderem im Bereich der Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie berufspraktischer Erfahrung. Allerdings hapert es an der Umsetzung durch die Verwaltung, die auch mit einer verstärkten Nachfrage durch Unternehmen einhergehen kann.

Bleibeperspektiven stärken und mehr Migrationsabkommen vereinbaren

Dabei bietet das neue FEG aus Sicht der Expertin eine gute Grundlage. Es komme entscheidend darauf an, die darin verankerten Instrumente konsequent und mit den benötigten Ressourcen umzusetzen, vor allem in den Ausländerbehörden und Auslandsvertretungen. Dazu zählen Angebote zur Sprachförderung, Integrationshilfe vor Ort sowie eine engere Vernetzung von Unternehmen, Behörden und Zivilgesellschaft, um Migrant:innen gezielter zu unterstützen. Bessere Bleibeperspektiven und diskriminierungssensible Bedingungen sollten ausländische Fachkräfte in Deutschland halten. Darüber hinaus können ganzheitliche Migrationsabkommen mit Herkunftsländern von Migrant:innen gezielt Fachkräfte und Auszubildende gewinnen.

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