Ein Mann im Anzug hält eine grün eingefärbte Erdkugel in der Hand, über die sich Linien und Punkte spannen, die die digitale Vernetzung symbolisieren sollen. Ein grünes Blatt, das an die Erdkugel lehnt, symbolisiert die Umwelt.

Grüne und digitale Transformation fordern Europas Zusammenhalt heraus

Europäische Großstädte und andere Regionen der Hochtechnologie könnten in Zukunft noch weiter davonziehen, ländliche Gebiete und Regionen mit CO2-intensiver Industrie den Anschluss verlieren. Der digitale und grüne Wandel, wie ihn die Europäische Union anstrebt, verstärken diese Entwicklung. Aber durch eine für Regionen maßgeschneiderte EU-Förderpolitik lässt sich der Effekt abmildern.

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In Deutschland werden Regionen in einem Streifen von Bayern und Baden-Württemberg im Süden, bis Hamburg und Bremen im Norden, von der doppelten Transformation profitieren. Die westlichen und östlichen Regionen in Deutschland werden eher das Nachsehen haben. Das ist das Ergebnis unserer Studie zur Zukunft der Kohäsion in Europa.

Für Europa zeigt die Studie ein dreigeteiltes Bild. Südeuropäische Regionen im Süden von Italien, Spanien und Portugal, die bereits in den vergangenen Jahren wirtschaftlich stagnierten, werden durch die doppelte Transformation in ihren Zukunftsaussichten weiter eingeschränkt. Ähnliches gilt für osteuropäische Regionen in Bulgarien, Polen und Rumänien an den EU-Außengrenzen, die zwar in den vergangenen Jahren stark aufgeholt haben, aber die insbesondere die grüne Transformation vor große Herausforderungen stellt. Anders die Situation in West- und Nordeuropa. Die bereits heute wohlhabendsten Regionen Europas in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Norditalien haben die besten Aussichten, von der doppelten Transformation zu profitieren.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass die doppelte Transformation die Polarisierung zwischen den Regionen in Europa verschärfen wird", erklärt unser Europa-Experte Thomas Schwab. "Die unterschiedlichen Wachstumsaussichten werden insbesondere für Süd- und Osteuropa an Brisanz gewinnen."

Regionen mit hohem Pro-Kopf-Einkommen haben einen Vorsprung

Mit einem Vorsprung für die Transformation ihrer Wirtschaftssysteme starten Regionen mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen. Für zusätzlichen Schub sorgt ein Fokus auf High-Tech-Industrie, gepaart mit einem geringen Einsatz fossiler Energieträger. Am unteren Ende rangieren Regionen mit einem ausgeprägten Agrarsektor und mit einem ohnehin niedrigen Pro-Kopf-Einkommen. Hier fehlt es schlicht an Infrastruktur und innovativen Unternehmen, die von der Transformation profitieren könnten. Aber auch das zeigt die Studie: Nicht jede Region, die durch die Digitalisierung profitieren wird, ist zugleich auch für die ökologische Transformation gut aufgestellt. Das gilt beispielsweise für Regionen mit viel Schwerindustrie, chemischer Industrie oder Zementproduktion.  

Für ihre Einschätzung haben die Expert:innen Parameter aus den Bereichen "Wachstum", "Digitalisierung" und "grüne Transformation" herangezogen. Ob eine Region von der Digitalisierung profitiert, hängt entscheidend von Faktoren wie Zugang zum Internet, Produktivität und Weiterbildungskapazitäten ab. Wie hoch die Anpassungskosten der Regionen für die grüne Transformation sind, wird anhand von Kriterien wie der Zahl der Fahrzeuge pro Einwohner:innen, der CO2-Emissionen oder dem energetischen Zustand der Häuser gemessen. Die Bilanz fällt ernüchternd aus. "Unterm Strich steht die Erkenntnis, dass die doppelte Transformation viele Regionen in der EU vor große Herausforderungen stellt", sagt Schwab.

Für mehr Lebensqualität und Chancengerechtigkeit sorgen

Die Autor:innen der Studie empfehlen der EU daher, nicht länger das Pro-Kopf-Einkommen als Richtschnur für die Zahlung von Fördermitteln heranzuziehen. "Wir müssen genauer hinsehen", sagt Schwab. "Ist es die starke Konzentration auf fossile Energieträger, die eine Region ausbremst? Oder hapert es am Ausbau des Internets?" Es müsse darum gehen, in allen Regionen für mehr Lebensqualität und Chancengerechtigkeit zu sorgen.

Verschwinden werden die bereits lange bestehenden Ungleichheiten dennoch nicht."Die europäische Kohäsions-Politik muss akzeptieren, dass es immer ein gewisses Level von Ungleichheiten in der Europäischen Union geben wird", sagt Schwab. Ganz klar sei, dass insbesondere der ländliche Raum viel Unterstützung brauche. "Nur durch maßgeschneiderte Unterstützung der Regionen kann die Europäische Union verhindern, dass die Schere zwischen Boom-Regionen und abgehängten Landstrichen noch weiter aufgeht."

Mehr zur Studie

Die Studie wird am Donnerstag, 13. Oktober, im Rahmen der European Week of Regions and Cities vorgestellt. Wir diskutieren die Ergebnisse und Implikationen der Studie mit einem hochrangigen Panel in Brüssel und online. Weitere Informationen und Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier: Hybrid Event: The Future of EU Cohesion: Effects of the Twin Transition on Disparities across European Regions

Weitere Informationen zur Studie samt Möglichkeit zum Download finden Sie hier.

Studie

Cover The Future of EU Cohesion

Ambre Maucorps, Roman Römisch, Nina Vujanovic (The Vienna Institute for International Economic Studies (wiiw)), Thomas Schwab (Bertelsmann Stiftung)

Materialien