Eine Lehrerin erklärt einem Jungen eine Aufgabe.

Lehrermangel in Grundschulen verschärft sich

Die Schülerzahlen steigen, die Klassen werden heterogener und viele erfahrene Lehrkräfte gehen in den Ruhestand. Während an den weiterführenden Schulen erst gegen Mitte des nächsten Jahrzehnts ein Lehrerengpass entstehen wird, spüren die Grundschulen schon heute den Schüler-Boom. Unsere Studie zeigt, dass bereits bis 2025 zirka 35.000 Lehrkräfte in Grundschulen fehlen. Wie kann ein Lehrermangel noch abgewendet werden?

An den Grundschulen wird sich in den kommenden Jahren die bereits heute spürbare Personalnot weiter zuspitzen. An den Universitäten werden gerade genug Lehrkräfte ausgebildet, um jene zu ersetzen, die alters- oder gesundheitsbedingt aus dem Schuldienst ausscheiden. Da aktuell die Schülerzahlen stark ansteigen, ist aber zusätzliches Personal nötig, vor allem im Zeitraum von 2021 bis 2025.

Auch weil Ganztagsschulen ausgebaut und die individuelle Förderung weiterentwickelt werden, brauchen Deutschlands Grundschulen zusätzliche Lehrkräfte. Da die Lehrerausbildung so lange dauert, reicht es jedoch nicht, lediglich die Ausbildungskapazitäten aufzustocken. Zusätzlich müssen kurzfristigere und flexible Lösungen gegen den Lehrermangel umgesetzt werden – das zeigt unsere aktuelle Studie.

35.000 reguläre Lehrkräfte fehlen unseren Grundschulen bis zum Jahr 2025

Insgesamt müssen bis einschließlich 2025 knapp 105.000 Grundschullehrer neu eingestellt werden. Davon entfallen etwa 60.000 auf den Ersatz ausscheidender Lehrkräfte. 26.000 Lehrer werden außerdem benötigt, um den Unterricht bei steigenden Schülerzahlen aufzufangen. Für den Ausbau von Ganztagsschulen werden weitere 19.000 Lehrer benötigt. Allerdings schließen im gleichen Zeitraum nur 70.000 Absolventen ihr Lehramts-Studium ab. Damit fehlen den Grundschulen mindestens 35.000 regulär ausgebildete Lehrkräfte. Erst ab 2026 zeichnet sich Entspannung ab.

Ab dem Jahr 2025 werden deutsche Grundschulen nicht genug Lehrkräfte haben - denn die Zahl der Lehramtsabsolventen reicht nicht aus.

"Gute Schule ist guter Unterricht und der wird durch gute Lehrer gemacht. Angesichts des bundesweiten Lehrermangels sollten sich die Länder die Lehrer nicht länger gegenseitig abwerben. Die Verantwortlichen sollten gemeinsame Lösungen suchen, um den Bedarf zu decken – und zwar ohne die Qualität einreißen zu lassen", so unser Vorstand Jörg Dräger. Mit Blick auf den aktuell politisch diskutierten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz an Grundschulen, mahnt Dräger: "Der Rechtsanspruch ist pädagogisch sinnvoll und von den Eltern gewollt. Er darf nicht an fehlenden Lehrern scheitern."

Wenn Teilzeitkräfte und Pensionäre mehr unterrichten, könnte sich die Situation entspannen

Während der Anstieg der Schülerzahlen an den weiterführenden Schulen erst gegen Mitte des nächsten Jahrzehnts ankommen wird, spüren die Grundschulen schon heute den Schüler-Boom. Mit Blick auf den kurzfristigen Bedarf sollten die Länder deshalb vor allem Anreize dafür setzen, dass erfahrene Lehrkräfte mehr unterrichten – insbesondere Teilzeitkräfte und angehende Pensionäre.

Fast vierzig Prozent aller Grundschullehrkräfte – überwiegend sind es Frauen – arbeiten in Teilzeit. Damit sie mehr Stunden pro Woche unterrichten können, brauchen sie selbst verlässliche Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder. Außerdem könnten andere pädagogische Mitarbeiter sie bei den Aufgaben entlasten, die sich nicht auf den Unterricht beziehen.

Auch Lehrkräfte, die an der Schwelle zum Ruhestand stehen, könnten den akuten Lehrermangel lindern. Wenn sie bessere Möglichkeiten hätten, Geld hinzuzuverdienen, könnten diese erfahrenen Lehrkräfte zusätzlich für den Unterricht gewonnen werden.

Das Problem: Beide Maßnahmen – für Teilzeitkräfte und Pensionäre – basieren darauf, dass die Lehrkräfte freiwillig mitmachen. Deswegen lässt sich ihr Effekt nicht genau vorhersagen. Um dem sich verschärfenden Lehrermangel zu begegnen, braucht es deshalb zusätzlich Maßnahmen: Seiteneinsteiger müssen für den Einsatz an Grundschulen gewonnen werden.

Flexible Wege in den Schuldienst ohne Qualitätseinbußen

Schon heute unterrichten in der Primarstufe, dort wo der Lehrermangel groß ist, Fachkräfte ohne Studium des Grundschullehramts. Angesichts der besonderen pädagogischen Herausforderungen bedarf es der sorgfältigen Auswahl, Qualifizierung und Begleitung von Seiteneinsteigern.

"Flexible Zugangswege zum Lehrerberuf und pädagogische Qualität dürfen nicht im Widerspruch stehen. Wir brauchen einheitliche Standards für die Qualifizierung von Seiteneinsteigern. Dazu gehört auch genügend Zeit für berufsbegleitendes Lernen und für das Mentoring durch erfahrene Kollegen."

Jörg Dräger, Vorstand Bertelsmann Stiftung

Die Studienautoren machen deutlich, dass der Lehrermangel regional unterschiedlich ausfällt und es weiter unsicher bleibt, wie er sich entwickelt. Deshalb, so Dräger, müsse der lokale Bedarf in regelmäßigen Abständen aktualisiert und prognostiziert werden.