Arbeitsort Internet Click-, Cloud-, Crowd- oder Gig-Work – viele unserer Tätigkeiten verlagern sich zukünftig immer mehr auf Plattformen. Welche Chancen und Risiken birgt Plattformarbeit?

Worum geht es?
Wenn es um Plattformarbeit in Deutschland geht, gibt es viele Meinungen, aber bislang erst wenige Fakten. Wir haben gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Kantar eine umfassende Studie erstellt, um den aktuellen Stand der Plattformarbeit in Deutschland zu erfassen – basierend auf einem mehrstufigen Forschungsprozess, im Austausch mit Betroffenen und Experten. Darauf basierend leiten wir Impulse für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ab.
- Mehr Infos zum Forschungsprozess finden Sie hier:
Forschungsprozess
Was ist Plattformarbeit?
Unter Plattformarbeit verstehen wir alle Dienstleistungen, die über web-basierte Plattformen vermittelt oder erbracht werden. Diese Tätigkeiten können lokal verrichtet werden (Gigwork) oder online (Cloudwork). Die Grenzen zwischen Online- und Offlinearbeit verlaufen jedoch grundsätzlich fließend.
Die meistgenutzten Plattformen in Deutschland
Wer in Deutschland Plattformarbeiter ist, nutzt meist mehr als eine Plattform. Das sind die häufigsten:
Interessant:
Drei Prozent aller deutschen Onliner sind auf einer Cloud- oder Gigwork-Plattform angemeldet. Zwei Prozent haben in den letzten zwölf Monaten aktiv Aufträge angenommen.
Hinweis zur Fragestellung
Frage: „Über welche der folgenden Online-Plattformen haben Sie Ihre eigenen Leistungen angeboten bzw. entsprechende Aufträge online erhalten?“
Basis: Plattformarbeiter (n=710); Mehrfachantworten möglich.
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
Die häufigsten Tätigkeiten der Plattformarbeiter
Mit Airbnb und Lieferando als meistgenutzte Plattformen verwundert es nicht, dass Vermietung und Lieferservice die häufigsten Tätigkeiten der Plattformarbeiter sind.
- 6Stunden pro Woche wird auf Plattformen gearbeitet.
Geringe Anforderungen:
Bei den vorherrschenden Gigwork-Plattformen wie Airbnb und Uber ist meist kein spezielles Expertenwissen nötig.
Hinweis zur Fragestellung
Frage: „Welche dieser Dienste/Leistungen bieten Sie auf dieser Online-Plattform hauptsächlich an?“
Basis: Plattformarbeiter (n=710); Mehrfachantworten möglich.
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
Profil der Plattformarbeiter
In Diskussionen um Plattformarbeit wird oft das Bild des prekären „Clickworkers“ verwendet. Die Ergebnisse unserer Befragung zeichnen ein differenzierteres Bild – Plattformarbeiter in Deutschland sind im Schnitt jünger, besser gebildet und stehen finanziell besser da als der Durchschnitt der Bevölkerung. Unter den Plattformarbeitern finden sich auch deutlich mehr Großstädter als in der Gesamtbevölkerung, dafür weniger Landbewohner.
Hinweis zur Fragestellung
Soziodemographische Merkmale in der Übersicht
Basis: Plattformarbeiter (n=710); auf 100 fehlende Prozent = keine Angabe / < 5 Prozent nicht angegeben
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
Wie ticken
Plattformarbeiter?








Hinweis zur Fragestellung
Zustimmung zu unterschiedlichen Einstellungsstatements; Top 2 (stimme voll und ganz zu / stimme eher zu)
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
- Daten downloaden
Das macht Plattformarbeit attraktiv
99 % der Befragten üben ihre digitale Plattformarbeit neben dem Hauptberuf aus. Die Möglichkeit, sich etwas Geld dazuzuverdienen und zeitlich flexibel zu sein, sind daher Topgründe für Plattformarbeit.
Interessant:
Geldnot ist für die Mehrheit kein Grund für diese neue Form der Arbeit.
Hinweis zur Fragestellung
Frage: „Wieso haben Sie sich entschieden, Ihre Leistungen / Dienste über eine entsprechende Online-Plattform anzubieten? Ordnen Sie die möglichen Vorteile und Chancen dieser Arbeitsform in einer Rangfolge. Auf Platz 1 sollte der für Sie wichtigste Grund stehen, wieso Sie Ihre Leistungen über diese Online-Plattformen anbieten.“
Basis: Plattformarbeiter, die mehr Vorteile als Nachteile sehen bzw. dem Ganzen neutral gegenüberstehen (n=630)
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
Expertenmeinung
Neben den genannten Vorteilen aus Sicht der Plattformarbeiter sehen Experten weitere Chancen für Wirtschaft und Politik. Ein globaler Talentpool von Plattformarbeitern steigert das Innovationspotenzial und erlaubt Unternehmen, flexibler zu agieren, höhere Gewinne zu erzielen und ihre Produktivität zu steigern. Mit den richtigen politischen Rahmenbedingungen lässt sich ein nachhaltiges Modell digitaler Arbeit schaffen, das der Gesellschaft als Ganzes dient.
Das sind die Nachteile und Risiken
Der Konkurrenzkampf unter Plattformarbeitern ist groß – entsprechend birgt die digitale Arbeit auch Risiken. Als häufigste Nachteile nannten Plattformarbeiter:
Interessant:
Es gibt nicht den einen Nachteil, sondern alle sind relevant.
Hinweis zur Fragestellung
Frage: „Wo sehen Sie Nachteile oder Risiken bei dieser ,Plattformarbeit‘? Ordnen Sie mögliche Nachteile dieser Arbeitsform wieder in einer Rangfolge. Auf Platz 1 sollte der aus Ihrer Sicht größte Nachteil dieser Arbeitsform stehen. Bitte klicken Sie zuerst auf den in Ihren Augen größten Nachteil, als nächstes auf den zweitgrößten Nachteil usw.“
Basis: Plattformarbeiter (n=710)
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
Expertenmeinung
Ein weltweiter Talentpool bedeutet auch globale Konkurrenz. Der globalen Arbeit auf digitalen Plattformen fehlen Regulierungen, der Wettbewerb ist hart – somit drohen Plattformarbeitern Preiskampf, zunehmende Arbeitsbelastung, prekäre Lohnverhältnisse und fehlende Absicherung. Ein nachhaltiges Modell digitaler Arbeit sieht anders aus. Aber auch für Unternehmen birgt Plattformarbeit Risiken: Auch hier ist der Wettbewerb hart und der Preisdruck groß, die derzeitige Arbeitsorganisation passt oft nicht in eine Welt digitaler Arbeit. Viele Unternehmen hinken der digitalen Transformation hinterher und könnten dringend benötigte Fachkräfte an Plattformen verlieren.
Lösungsansätze
Die Zukunft der Plattformarbeit hängt davon ab, wie wir sie gestalten. Für ein nachhaltiges Modell digitaler Arbeit gibt es praktische Lösungsansätze aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.
Bessere soziale Absicherung
Regulierung des Preiswettbewerbs auf den Plattformen, z. B. durch Festlegung von Mindestzahlungen je nach Art der Aufträge/Leistungen
Schaffung einer Interessenvertretung speziell für Plattformarbeiter (Durchsetzung der Rechte gegenüber der Online-Plattform und den Auftraggebern)
Eine Art TÜV der Online-Plattformen in Bezug auf Fairness gegenüber Plattformarbeitern, z. B. hinsichtlich Bezahlung, Hilfe bei Streitigkeiten oder Bewertungssystem
Höhere gesellschaftliche Akzeptanz und Verständnis für diese neue Form der Arbeit
Hinweis zur Fragestellung
Frage: „Wenn ich mir als Plattformarbeiter/-in etwas wünschen könnte, wäre das in erster Linie...“
Basis: Plattformarbeiter (n=710)
Quelle: Kantar, Bertelsmann Stiftung
Expertenmeinung
Aus Expertensicht muss in Politik und Gesellschaft ein kultureller Wandel stattfinden, um digitale Arbeit neu zu bewerten und gegenseitige Akzeptanz aufzubauen. Dazu gehört der Mindestlohn für Plattformarbeiter, die Mitwirkung an der Weiterentwicklung ihrer Arbeitsform und ihre Förderung durch die Politik.
Bei der (sozialen) Absicherung sehen unsere Experten ebenfalls die Politik in der Verantwortung: Verschiedene Maßnahmen von staatlichen Absicherungs-Basispaketen bis Transformationssicherungen sind denkbar. Auch die Unternehmen stehen in der Pflicht: Dezentrale Arbeit muss in der Unternehmenskultur ankommen, digitale Kompetenz bei den Mitarbeitern ausgebaut werden. Nicht zuletzt müssen Lösungen gemeinsam mit Vertretern digitaler Arbeiter, Plattformbetreibern und Unternehmen erarbeitet werden.
Über dieses Projekt
Die Daten
Wir haben 710 Plattformarbeiter online und neun Experten in Tiefeninterviews zum aktuellen Stand digitaler Arbeit in Deutschland befragt. Die Ergebnisse wurden anschließend im Rahmen eines Expertenworkshops diskutiert und kommentiert. Die vorliegenden Daten bieten erstmals eine empirische Grundlage für den Diskurs über die Bedeutung von Plattformarbeit in Deutschland.
Das Projekt
„Plattformarbeit in Deutschland. Freie und flexible Arbeit ohne soziale Sicherung“ entstand in Zusammenarbeit von Kantar und der Bertelsmann Stiftung.
Betriebliche Arbeitswelt in der Digitalisierung
Projektverantwortlich für dieses Projekt ist die Bertelsmann Stiftung. Die Durchführung der Studie wurde von unserem Forschungspartner Kantar übernommen.
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