Rund 45 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, ihren Arzt zumindest gelegentlich per Video zu konsultieren. Das geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung hervor. Die Stiftung hat die Bevölkerung und Experten befragt sowie internationale Quellen auswerten lassen. Demnach sind Video-Sprechstunden bei vielen Erkrankungen und Behandlungsanlässen genauso gut wie ein Praxisbesuch. Der virtuelle Kontakt kann den persönlichen allerdings nicht ersetzen. Neben dem Erst-Kontakt zwischen Arzt und Patient gibt es bestimmte Anlässe, etwa körperliche Untersuchungen, die ein persönliches Treffen erfordern – darin sind sich Experten und Patienten einig.
Video-Sprechstunden sinnvoll einsetzbar
Video-Sprechstunden zwischen Arzt und Patient sind bei vielen Behandlungsanlässen genauso gut wie ein Praxisbesuch. Derzeit können sich schon 45 Prozent der Deutschen vorstellen, diese Kontaktmöglichkeit zumindest gelegentlich zu nutzen. Dabei steht und fällt die breite Einführung mit der Akzeptanz in der Ärzteschaft.
So gibt jeweils rund ein Viertel der Befragten an, Video sei ein geeigneter Kontaktweg bei allgemeinen Fragen ohne körperliche Untersuchung, bei Beratungsgesprächen zum Beispiel zur Ernährung oder bei der Besprechung von Befunden. Die Patienten würden Video-Sprechstunden vor allem nutzen, um lange Wartezeiten auf einen Termin zu vermeiden oder den Arzt auch zu „unüblichen“ Zeiten zu kontaktieren. Auch die Notwendigkeit der Betreuung eines Angehörigen oder Kindes und die Vermeidung von langen Anfahrtswegen spielen eine Rolle. Aus Sicht der Patienten sind insbesondere Hausärzte (57 Prozent Zustimmung) geeignet für den Video-Kontakt.
Die für die Analyse ausgewerteten internationalen Studien zeigen, dass Video-Konsultationen bei vielen Indikationen medizinisch gleichwertig zum persönlichen Besuch beim Arzt sind. Das gilt insbesondere für psychische, dermatologische und geriatrische Kontaktanlässe. Die Studien zeigen auch, dass wiederholte Video-Konsultationen dazu beitragen, von Arzt und Patient gemeinsam vereinbarte Therapieziele besser zu erreichen. Aus Sicht der befragten Experten eignet sich das Instrument ebenfalls für Rückfragen, Beratungen und Befundbesprechungen sowie das Einholen von Zweitmeinungen. Zudem könne Video eine „Vorfilterfunktion“ erfüllen, im Hinblick darauf, ob ein persönlicher Termin notwendig ist.
Noch gibt es in Deutschland sehr wenige Ärzte, die Video als Instrument in der Versorgung einsetzen. Ihre Akzeptanz ist jedoch nötig, um das Angebot in der Breite zu etablieren, so die Ableitung der Studie. Hierzu bedarf es der Analyse zufolge einen weiteren Nachweis des Nutzes durch praxisnahe Versorgungsforschung. Zudem schlägt die Stiftung vor, die Rechtslage in Bezug auf das sogenannte Fernbehandlungsverbot präziser zu formulieren und laufende Kosten auf Seiten der Ärzte durch eine entsprechende Vergütung abzufangen.
Die Einführung von neuen Technologien sei dabei kein Selbstzweck. Die Etablierung digitaler Anwendungen in der Versorgung sollte immer mit einem Fortschritt der Medizin verbunden sein oder bei konkreten Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung helfen, so Uwe Schwenk, Programmdirektor der Bertelsmann Stiftung. „Und das können Video-Konsultationen – etwa bei Versorgungslücken auf dem Land oder bei der Beratung von pflegenden Angehörigen, die das Haus nicht verlassen können.“ Im Prinzip sei Video dabei keine neue Behandlungsmethode, sondern eine Prozessinnovation. Denn Beratung per Telefon gebe es ja schon heute.
Für die Studie, die in Form eines SPOTLIGHT Gesundheit veröffentlicht wurde, hat das Berliner Forschungsinstitut medpirica für die Stiftung über 80 internationale Quellen ausgewertet und sechs nationale Experten befragt. Zudem hat die Stiftung eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Entstanden ist die Studie im Kontext des neuen Projekts „Der digitale Patient“. Darin will die Stiftung unter anderem in Form von Analysen und Konzepten sowie verschiedenen Diskursformaten dazu beitragen, dass Technologien in den Dienst der Gesundheit gestellt werden.