Bessere Bildungsleistungen würden das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) bis zum Jahr 2105 um insgesamt rund 20,9 Billionen Euro zusätzlich wachsen lassen. Das entspricht ungefähr dem fünffachen Wert des derzeitigen Gesamt-BIP der Bundesrepublik, welches 2024 rund 4,33 Billionen Euro betrug. Das geht aus Berechnungen des ifo Zentrums für Bildungsökonomik im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor. Die Forscher:innen stützen sich dabei auf den wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhang, wonach ein höheres Bildungsniveau der Bevölkerung langfristig zu mehr Wirtschaftswachstum führt.
© Paul Feldkamp
Rund 21 Billionen Euro zusätzliche Wirtschaftsleistung durch bessere Bildung
Wenn es gelingt, in den Basiskompetenzen Deutsch und Mathematik die Leistungen in der Breite wie in der Spitze zu steigern, würde das nicht nur größere Chancen für Millionen von Schülerinnen und Schülern eröffnen, sondern über die kommenden 80 Jahre hinweg auch das Bruttoinlandsprodukt deutlich ansteigen lassen. Besonders profitieren würden die Bundesländer, die im Vergleich der Schülerleistungen aktuell schlecht abschneiden. Die Zahlen unterstreichen: Wer heute in Bildung investiert, sichert den Wohlstand von morgen.
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Die Wachstumseffekte durch bessere Bildung würden sich in allen Bundesländern zeigen. Die größten absoluten Zuwächse würden demnach für Nordrhein-Westfalen mit 4,9 Billionen Euro, Baden-Württemberg mit 3,0 Billionen Euro und Bayern mit 2,8 Billionen Euro eintreten. Bezogen auf das jeweils aktuelle BIP würden diejenigen Länder besonders profitieren, die im Leistungsvergleich der Schüler:innen am schlechtesten abschneiden: Bremen würde die Wirtschaftskraft um das 7,6-fache steigern können, Berlin um das 6,4-fache. “Diese Zahlen sollten Ansporn sein, die Verbesserung der Bildungsleistungen entschlossen und mit hoher Priorität voranzutreiben”, sagt Dirk Zorn, Director des Programms Bildung und Next Generation der Bertelsmann Stiftung.
Messbare Ziele für bessere Bildungsleistungen
Als Richtwert für die Projektion dienen die sogenannten “Bildungsziele 2035”: Die damalige Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und jetzige Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU), die damalige Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz und jetzige Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sowie die Kultusministerin von Baden-Württemberg, Theresa Schopper (Grüne), hatten Anfang 2025 parteiübergreifend messbare Ziele für bessere Bildungsleistungen innerhalb der nächsten zehn Jahre formuliert. Demnach soll erstens die Zahl der Schüler:innen, die die Mindestanforderungen in Deutsch und Mathematik nicht erreichen, um die Hälfte verringert werden. Zweitens sollen 20 Prozent mehr Schüler:innen die Regelstandards in Deutsch und Mathematik erfüllen oder übertreffen. Und drittens sollen 30 Prozent mehr Schüler:innen in den beiden Fächern zur Spitzengruppe zählen.
Bildungsminimum absichern, Bildungsniveau steigern, Leistungsspitze fördern – wenn es gelingt, diese drei Ziele zu erreichen, würde das durchschnittliche Kompetenzniveau bis 2035 bundesweit um rund 32 PISA-Punkte steigen – das entspricht etwa einem zusätzlichen Lernjahr. Zum Vergleich: Die jüngsten Lernrückstände, verstärkt durch die Corona-Pandemie, entsprechen in Mathematik teils einem ganzen Schuljahr. Seit mehr als einem Jahrzehnt verschlechtern sich die Kompetenzen deutscher Schüler:innen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften.
"Bildung ist die nachhaltigste Wachstumsstrategie"
“Unsere Studie belegt: Bildung ist die nachhaltigste Wachstumsstrategie, die ein Land haben kann. Mit der Zeit wachsen ihre Erträge exponentiell. Wer in bessere Schulen investiert, investiert in Fachkräfte, in Innovation und in gesellschaftlichen Zusammenhalt. Jeder Euro, der heute in bessere Bildung fließt, sichert den Aufwärtstrend von morgen”, sagt Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik und einer der Autor:innen der Studie.
Nach Ansicht von Bertelsmann Stiftung und ifo sollten die Bildungsausgaben konsequent auf das Erreichen der Bildungsziele 2035 hin ausgerichtet werden. Das Fazit der Expert:innen: “Jetzt braucht es eine gemeinsame bildungspolitische Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Wissenschaft und Schulpraxis.” Neben klar priorisierten gemeinsamen Zielen geht es vor allem darum, wie wirksame Veränderungen gelingen können. Um die Akteure auf allen Ebenen des Schulsystems in ihrer Umsetzungskompetenz zu stärken und mit Impulsen zu begleiten, hat die Bertelsmann Stiftung kürzlich ihr neues Projekt “Change Learning” gestartet.
Jeder Euro, der heute in bessere Bildung fließt, sichert den Aufwärtstrend von morgen.
Ludger Wößmann, Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik und einer der Autor:innen der Studie
Zusatzinformationen
Für die Studie haben die ifo-Bildungsökonom:innen Katia Werkmeister und Ludger Wößmann simuliert, wie viel zusätzliche Wirtschaftsleistung im Verlauf der Lebenserwartung eines heute geborenen Kindes für die nächsten 80 Jahre entsteht, wenn die “Bildungsziele 2035” (siehe oben) erreicht werden. Für die Vorausberechnungen der verbesserten Basiskompetenzen nutzten sie Daten des IQB-Bildungstrends für Deutsch und Mathematik in der 4. und 9. Jahrgangsstufe. Diese Daten werden in PISA-Punkte überführt, um den volkswirtschaftlichen Wachstumseffekt zu berechnen, der mit einem Anstieg der PISA-Kompetenzwerte einhergeht.


