Bei der Europawahl am kommenden Sonntag, 9. Juni, dürfen in mehreren EU-Ländern junge Menschen ab 16 Jahren erstmals ihre Stimme abgeben, auch in Deutschland. Es wird erwartet, dass viele Erstwähler:innen die Gelegenheit nutzen und von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden. Insgesamt scheint die Wahlbereitschaft junger Menschen in Europa allerdings hinter der der älteren Bevölkerung zurückzubleiben. Das geht aus neuen Daten von "eupinions", unserem europäischen Meinungsforschungsinstrument, hervor. So äußern EU-weit 59 Prozent der Befragten im Alter von 16 bis 25 Jahren die Absicht, bei der Wahl zum EU-Parlament ihre Stimme abgeben zu wollen. 24 Prozent sind noch unentschlossen. Von den Befragten zwischen 26 und 69 Jahren dagegen geben 65 Prozent an, zur Wahl zu gehen. Hier haben sich 22 Prozent noch nicht entschieden. Die Werte für Deutschland liegen auf ähnlichem Niveau: 57 Prozent der jungen Menschen geben eine Wahlabsicht an, bei den älteren Befragten sind es 62 Prozent.
Wertschätzung für die EU ist bei jungen Menschen höher als ihre Wahlbereitschaft
Junge Europäer:innen stehen der Europäischen Union mehrheitlich positiv gegenüber. Dennoch sind sie einer neuen "eupinions"-Umfrage zufolge weniger motiviert, an der Europawahl teilzunehmen, als die ältere Bevölkerung. Wer mehr junge Menschen für die Wahl am kommenden Sonntag mobilisieren möchte, sollte berücksichtigen, welche Themen ihnen besonders wichtig sind: Bürgerrechte und die Bekämpfung des Klimawandels.
Content
Mehr junge Menschen als ältere sind zufrieden mit der EU
Die geringere Motivation ist insofern überraschend, da junge Menschen grundsätzlich pro-europäischer eingestellt sind als ihre älteren Mitbürger:innen. Die Frage, ob sie bei einem Referendum für den Verbleib ihres Landes in der EU stimmen würden, bejahen EU-weit 78 Prozent der 16- bis 25-Jährigen. Bei den älteren Befragten sind es nur 65 Prozent. Außerdem scheinen jüngere Befragte zufriedener mit der Art und Weise zu sein, wie die Demokratie in der Europäischen Union funktioniert (69 zu 55 Prozent).
Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt und Schirmherrin unseres Projektes #NowEurope, sagt: "Junge Menschen sind politisch interessiert und pro-europäisch. Das sind sehr gute Nachrichten. Wir müssen sie bestärken, ihre Stimme auch bei der Europawahl zu nutzen. Die Botschaft lautet: Geht wählen, lasst die Älteren nicht allein über eure Zukunft entscheiden!"
Mit dem Projekt #NowEurope leistet unsere Stiftung einen Beitrag, um mehr Erstwähler:innen und junge Menschen zur Beteiligung an der Europawahl zu motivieren. "Viele junge Menschen nehmen die EU für selbstverständlich, unterschätzen aber auch ihren eigenen Gestaltungsspielraum. Damit ihre Prioritäten in der EU-Politik eine Rolle spielen, ist es entscheidend, dass sie sich einbringen – indem sie wählen, an Abgeordnete schreiben und sich in Parteien und der Zivilgesellschaft engagieren", erklären unser:e Projektmanager:in Anne Meisiek und Etienne Höra.
Junge Menschen wählen kaum aus Protest
Eine ausgeprägte Protesthaltung junger Menschen gibt es zumindest in Deutschland im Vorfeld der Europawahl nicht. Nach ihren Beweggründen für die Stimmabgabe bei der EU-Wahl befragt, geben nur 23 Prozent an, damit ihre Missbilligung der aktuellen Politik ausdrücken zu wollen. Von den 26- bis 69-Jährigen dagegen ordnen sich 30 Prozent dem Lager der Protestwähler:innen zu. Die größte Motivation für jüngere wie ältere Wähler:innen stellt die Unterstützung der politischen Partei dar, der sie sich verbunden fühlen. Jeweils jede:r zweite Befragte äußert sich entsprechend.
Was im Vergleich mit den älteren Generationen auffällt: Junge Menschen halten bestimmte Politikfelder für bedeutender. Zwar sehen es beide Gruppen als die wichtigste Aufgabe der EU an, den Frieden zu sichern (jeweils zu rund 60 Prozent). Bei anderen Themen klaffen aber zum Teil große Unterschiede. So legen junge Europäer:innen einen deutlich größeren Wert darauf, Bürgerrechte zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen. Am gravierendsten weichen die Einstellungen beim Thema Migration voneinander ab: Während knapp die Hälfte der älteren Befragten von der EU erwartet, Zuwanderung besser zu steuern, spielt dies nur für rund ein Viertel der jungen Menschen eine zentrale Rolle.
Zusatzinformationen
"eupinions" ist das europäische Meinungsforschungsinstrument der Bertelsmann Stiftung, das zusammen mit Latana entwickelt wurde. Alle drei Monate werden Bürger:innen aller EU-Mitgliedstaaten zu europäischen Themen befragt. Die Befragung für die vorliegende Auswertung fand vom 5. bis 12. März 2024 in der gesamten EU statt und ist mit einer Stichprobengröße von 13.241 Personen repräsentativ für die EU insgesamt sowie für die Mitgliedstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen und Spanien.
#NowEurope ist ein Projekt der Bertelsmann Stiftung, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Wahlbeteiligung von jungen Menschen und Erstwähler:innen bei der Europawahl zu erhöhen. Klassische Formen politischer Teilhabe erreichen viele junge Bürger:innen nicht, insbesondere in nicht-akademischen Kreisen. #NowEurope geht diese Herausforderung gemeinsam mit den Initiativen junger Menschen an: durch Workshops an berufsbildenden Schulen, selbst organisierte Europa-Festivals, Quizspiele und Diskussionsrunden sowie eine deutschlandweite Kampagne in den Sozialen Medien.