Ein zu beobachtendes Phänomen in Intensivklassen an Schulen ist es, dass sich die Deutschen Sprachkenntnisse nach den langen Sommerferien bei vielen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung verschlechtern. Insbesondere dann, wenn in der Familie ausschließlich die Herkunftssprache gesprochen wird, fällt es den Schülern zum Schuljahresbeginn schwer an das alte Sprachniveau reibungslos anzuknüpfen.
An dieser Stelle empfahl die Eichendorffschule in Kelkheim ihren Kindern und Jugendlichen ein zweiwöchiges projektorientiertes Sprachcamp, um in den Sommerferien den Schülern Stabilität und Struktur im Rahmen sprachintensiver Aktivitäten und Inhalten ermöglichen zu können. Die altersübergreifenden Teilnehmergruppen zwischen 11 bis 16 Jahren bestanden dabei aus 15 Jungen und Mädchen. Diese wurden von einem breiten Fachkreis aus geschulten Pädagogen, Sozialarbeitern und Sprachlehrern unterschiedlicher Hintergründe und Disziplinen begleitet und unterstützt.
Nachdem die Teilnehmer der unterschiedlichen Schulen sich eingangs kennenlernten, wurden die Rahmenbedingungen der nächsten Projekttage gemeinsam erarbeitet. Wünsche und Ideen der Kinder und Jugendlichen flossen dabei partizipatorisch in die Planung ein und wurden berücksichtigt. Die teilnehmenden Schüler konnten damit bereits zu Beginn des Prozesses entscheidenden Einfluss auf die organisatorische Ausgestaltung der Projekttage nehmen. Diese Form der Aufmerksamkeit und Mitbestimmung förderte dabei nicht nur das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen, sondern motivierte diese auch sprachlich selbstbewusster aufzutreten.
Theoretisch orientierten sich die Projekttage um die historische Figur des „Schinderhannes“. Einem Räuber, der im 18. Jahrhundert Wald und Wiesen der Region unsicher machte und bis heute in heimischen Erzählungen und Geschichten eine bedeutende Rolle spielt.
Praktisch wurde dieser historische Schwerpunkt mit Film-, Medien- und Kunstprojekten von den Kindern und Jugendlichen erarbeitet und von den Betreuerinnen und Betreuern unterstützend begleitet und beobachtet.
In der ersten Woche rekonstruierten die Schüler das Thema „Schinderhannes“ in einem Filmprojekt. Das Filmprojekt wurde unterteilt in: Kennenlernen der Technik, Scripting (Drehbuch), Dreh und Schnitt mit Ton.
Das Filmen hat an zwei Tagen die Gelegenheit geboten im Freien zu drehen. So einmal beim Inszenieren eines theatralischen Raubüberfalls im nahegelegenen Wald, wie er zu Lebzeiten durch den „Schinderhannes“ erfolgt sein könnte. Dabei wurden sowohl die technisch-fachlichen als auch erlebnisreichen Aktivitäten und Inhalte sprachlich intensiv begleitet.
Ein weiterer Tag verbrachten die Schüler auf dem Marktplatz in Kelkheim und führten Interviews mit Bürgerinnen und Bürgern durch, um deren Wissen über den „Schinderhannes“ zu recherchieren. Diese Reportagen forderten einerseits den Mut der Kinder und Jugendlichen zufällige heimische Passanten anzusprechen, andererseits förderte diese Aktion das intuitive und selbstbewusste Sprachvermögen der Kinder und Jugendlichen auf eine einzigartige Weise. Durch die intensive Entlastung sprachlicher Inhalte in allen Aktivitäten und Beiträgen dürfte auch besonders der Wortschatz verbessert worden sein.
Die zweite Woche des Sprachcamps wurde von einem Kunstprojekt zur Gestaltung einer Wand in der Eichendorffschule gefüllt. Der erste Baustein des Projekts diente erneut der Erarbeitung des relevanten Vokabulars zur sprachlichen Vorentlastung, beispielsweise in Bezug auf die benötigten Materialien. Im Plenum wurde eine Auswahl der künstlerisch darzustellenden Szenen zum Thema „Schinderhannes“ diskutiert. Im weiteren Verlauf arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Gruppen, die jeweils eine Szene zeichnerisch darstellten. Die Zeichnungen wiederum wurden auf Folie gedruckt, an die Wand projiziert und ausgemalt. Vier Tage beanspruchte die künstlerische Malerei, die nun die Schulwand schmückt.
Am letzten Projekttag waren die Familien der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen des Sprachcamps zu einer Präsentation eingeladen worden. Die Schüler stellten stolz ihre Arbeiten, das Filmprojekt und die künstlerische Schulwand, vor. In diesem Rahmen blieb den Eltern im Anschluss der Abschlussveranstaltung Zeit sich mit den Betreuerinnen und Betreuern des Projekts auszutauschen.