Global agierende Tech-Unternehmen drängen auch im Gesundheitswesen mit Plattformen auf den Markt, die immer einen spürbaren Mehrwert stiften: Sie erleichtern den Umgang mit Informationen, schaffen Orientierung, optimieren Prozesse, generieren neues Wissen, sie aktivieren sogar unser körpereigenes Belohnungssystem. Die mittels algorithmischer Verarbeitung von Nutzerdaten passgenau zugeschnittenen Angebote locken mit einer Verringerung von Transaktionskosten und lösen manchmal Probleme, die bislang unlösbar schienen. Diese innovative Kraft und die damit verknüpften disruptiven Geschäftsmodelle werden das Tempo der digitalen Transformation im Gesundheitswesen weiter beschleunigen – und die Machtverhältnisse fundamental verändern.
Netzwerk- und Skaleneffekte können zu einem rasanten Wachstum führen, so dass einzelne Plattformanbieter schon heute über deutlich mehr Daten verfügen als die traditionellen Akteure des Gesundheitssystems. Gleichzeitig erschweren geschlossene Systeme und Datenmonopole einen Anbieterwechsel und lassen technologische Abhängigkeiten entstehen, die wiederum neue Machtfelder erzeugen: Über die Festlegung von Plattformregeln, die künstliche Regulierung des Zugangs und viele weitere Mechanismen können Plattformanbieter Interaktionen im Gesundheitssystem steuern, Patientenströme lenken und somit letztlich auch das Leistungsgeschehen beeinflussen.
Die bisherigen Versuche, globale Tech-Unternehmen auf dem Wege der Regulierung zur Einhaltung unterschiedlicher Standards zu verpflichten, laufen angesichts der hohen Komplexität und Intransparenz der Plattformen häufig ins Leere. Gleichzeitig drängt sich die Frage auf, warum der Aufbau und Betrieb solcher Plattformen überwiegend im privatwirtschaftlichen Sektor erfolgt und ob nicht auch öffentliche und zivilgesellschaftliche Akteure die Möglichkeiten der neuen Plattformwelt für sich erschließen sollten. So stehen auch die nationalen Gesundheitssysteme vor der Wahl, ob sie sich auf die Regulierung beschränken oder sich mit eigenen Angeboten einbringen wollen.
Wir sind der Überzeugung, dass öffentliche Gesundheitssysteme die innovative und steuernde Kraft von Plattformen erkennen, ihre eigene Rolle reflektieren und sich mit eigenen Angeboten am neuen Gesundheitsmarkt positionieren sollten. Im Projekt „Trusted Health Ecosystems“ zeichnen wir diesen Weg vor und entwickeln gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnerorganisationen ein Konzept und eine Produktvision für eine Gesundheitsplattform der Zukunft, s. a. unsere Konzeptwebsite: www.trusted-health-ecosystems.org.
Im Zentrum unserer Vision stehen die Patientinnen und Patienten und all jene, die das Gesundheitssystem nutzen. Im Verlauf der digitalen Transformation und des biotechnologischen Fortschritts werden sie mit immer mehr Behandlungsoptionen, einer wachsenden Instanzenvielfalt und neuen Technologien konfrontiert. Die Zahl der Entscheidungsnotwendigkeiten wächst mit der Komplexität des Systems und neben den Möglichkeiten der Mitwirkung nimmt auch die Eigenverantwortung weiter zu. Das stellt viele Menschen in Zeiten von Social Media und Fake News vor große Herausforderungen, denn gute Entscheidungen erfordern immer auch gute Informationen.
Über die Selektion und Bündelung von Informations- und Serviceangeboten soll die nationale Gesundheitsplattform den Zugang zu vertrauenswürdigen Angeboten erleichtern. Sie soll Patientinnen und Patienten dabei unterstützen, zu informierten Entscheidungen zu gelangen und im Behandlungsgeschehen aktiv und koproduktiv zu handeln. Und sie soll einen digitalen Vertrauensraum schaffen, der Datenschutz, Datensicherheit und die informationelle Selbstbestimmung garantiert und gleichzeitig die Datensolidarität fördert, um die gesundheitliche Versorgung zu verbessern.