Deutschland muss seine Politik gegenüber China grundlegend neu ausrichten und eine Führungsrolle bei der Entwicklung einer europäischen China-Politik übernehmen. Wirtschaftliche Interessen dürfen dabei nicht länger die Agenda dominieren. Auch die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen sollten abgeschafft werden. Statt der bilateralen Regierungskonsultationen sollte Berlin besser mithelfen, die EU-China Treffen aufzuwerten.
Deutschland hat China lange nur als „strategischen Partner“ betrachtet. Es war eine Politik der China-Naivität, die glaubte, man könne mit China gute Geschäfte machen und die hässlichen Seiten nebenher behandeln, indem man gelegentlich an die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und an die Notwendigkeit eines funktionierenden Rechtsstaats erinnerte. Die Zeit der China-Naivität ist nun aber endgültig abgelaufen. Was aus Peking auf uns zukommt, ist »China First«. Chinas enormer Machtzuwachs und Machtanspruch zwingen Deutschland zu einem neuen Blick und einer kühleren und vielleicht auch realistischeren Politik. China wird zum Risikoland, gegen das man sich wappnen muss. Das ist nicht erst seit der Corona-Pandemie so, aber es ist eine Entwicklung, die sich dadurch noch erheblich verschärft hat.
Es ist ein neues, ein anderes China, das uns da herausfordert – es ist nicht mehr vor allem mit sich selbst beschäftigt, sondern greift über seine Grenzen mit all seiner Macht, seiner wirtschaftlichen Wucht, seinem politischen Sendungsbewusstsein aus. Wir in Deutschland und Europa müssen darauf Antworten finden. Sie betreffen unsere politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit China, aber sie sollten darüber hinausgehen. In dem Maße, da sich die Gewichte der Welt verschieben von West in Richtung Ost, von Amerika nach China, muss sich auch unser Blickwinkel anpassen. Wir müssen lernen, genauer hinzuschauen, was in Fernost geschieht.
Bislang hat Deutschland eine China-Politik aus der Perspektive eines Handelskontors betrieben. Zentral und alles überragend war die Frage der wirtschaftlichen Beziehungen. Alles andere trat dahinter zurück, nicht völlig, aber doch so, dass Peking nicht allzu verärgert war. Deutschlands China-Politik war in erster Linie Auto-Politik. Warum sollte Deutschland für Kritik an Peking die Absatzchancen für Volkswagen und Co. in China gefährden?