Der Systemwettbewerb mit China hat viele Facetten. Entscheiden aber wird er sich bei den Zukunftstechnologien. Will Europa hier nicht abgehängt werden, dann braucht es jetzt eine offensive Technologie- und Industriepolitik. Ob bei Batterien, Mikroprozessoren oder KI – Europa muss Champions auf die Beine stellen. Unternehmen, die global bestehen und die Europas strategische Unabhängigkeit sichern.
Zwischen dem Westen und China zieht ein Konflikt der gefährlicheren Art herauf, weil die Beteiligten zu lange in Irrtümern übereinander verfangen waren. Die Chinesen glaubten, ungestraft damit durchzukommen, die in den USA, in der EU und in der WTO herrschenden, liberalen Wirtschaftsregeln missbräuchlich zum eigenen Vorteil ausnutzen zu können. In Washington und Brüssel setzte man auf der anderen Seite, geblendet durch den Sieg des Westens im Kalten Krieg, darauf, dass China sich dem westlichen Politikmodell schon anschließen werde, wenn es erst einmal die süßen Früchte des Kapitalismus probiert habe. So waren beide Seiten mehr von ihren Wünschen als von der Einsicht in die Realitäten getrieben.
Der Wirklichkeit dieser, trotz gelegentlicher Spannungen, für beide Seiten bislang ökonomisch fruchtbaren, wenn auch politisch ungemütlichen Beziehung, nähern sich die Europäer mittlerweile mit der Diskussion über einen Systemwettbewerb an, vor dem der Bundesverband der Deutschen Industrie Europa stehen sieht. In Brüssel spricht man von systemischer Rivalität. Es geht also nicht mehr nur um unfaire Praktiken. Sondern es geht um die Frage, wie die Welt gestaltet wird. Und wer sie gestaltet. In der EU vollzieht sich ein chinapolitischer Paradigmenwechsel von der strategischen Partnerschaft zur Systemrivalität. Das muss Folgen für die wirtschaftliche und technologische Aufstellung Europas haben. Es geht darum, Abhängigkeiten von Zulieferungen zu reduzieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Manche sehen sogar schon einen neuen Kalten Krieg heraufziehen. Kehrt der Großkonflikt des 20. Jahrhunderts also als Wiedergänger im 21. Jahrhundert zurück?
Wohl eher nicht. China ist, anders als die Sowjetunion zur Zeit der Blockkonfrontation, ein integraler Teil der Globalisierung und fest mit den Industrieländern des Westens über Investitionen, Technologieentwicklung, Wertschöpfungsketten, Handel und Finanzen verwoben. China braucht den Westen und der Westen braucht China. Die schlichte Formel vom Reich des Bösen, deren sich die Falken in Washington bedienen, führt politisch in die Irre. Denn der Kern des Konfliktes ist nicht ideologisch, sondern es geht um den Erwerb und um die Umsetzung von wirtschaftlicher in politische Macht – weltweit. Die kommunistische Weltrevolution findet sich nicht auf dem Arbeitszettel von Xi Jinping. Auf diesem steht vielmehr ganz oben, die Alleinherrschaft der Partei in Peking durch eine ständige Wohlstandsmehrung des Volkes und durch eine nationalistische Renaissance Chinas zu sichern. Um das zu erreichen, muss China die Hegemonie des Westens über jene Regeln brechen, die die Welt ordnen. Universelle Menschenrechte, Multilateralismus, faires Verhalten in Wirtschaft und Handel und eine globale Finanzwirtschaft mit dem US-Dollar im Zentrum. Es geht aber auch um Sicherheit, etwa um die Frage, wer die wichtigsten Handelswege der Welt kontrolliert.