Menschen demonstrieren gegen den Klimawandel

„Ein Rennen, das wir gewinnen müssen“

Der öffentliche Druck in der Klimakrise nimmt zu. Für September sind eine Reihe von globalen Klimaschutzaktionen geplant. Kann der bevorstehende Gipfel der Vereinten Nationen in New York angesichts der internationalen Konflikte überhaupt etwas bewirken?

Von Jess Smee

Angesichts der viralen Bilder eines rauchverhangenen Amazonas-Regenwalds und neuer globaler Temperaturrekorde  weitet sich in den Klassenzimmern wie auch den Korridoren der Macht die Sorge um den Klimawandel aus. Jetzt machen ihn die Vereinten Nationen (UN) mit ihrem Klimagipfel, der am 23. September stattfinden soll, weltweit zum Gesprächsthema Nummer eins.

Im Vorfeld des Treffens in New York klingt der offizielle UN-Slogan „Ein Rennen, das wir gewinnen können. Ein Rennen, das wir gewinnen müssen“ nach Entschiedenheit im Bestreben, die höchsten Ebenen der wirtschaftlichen und politischen Macht für den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen. Viele hochrangige Politiker auf der ganzen Welt sind sich der Dringlichkeit nur allzu bewusst. Um ihr weiter Nachdruck zu verleihen, werden ab dem 20. September überall auf der Welt Erwachsene gemeinsam mit ihren Kindern eine Woche lang in den Streik treten und demonstrieren. Und wieder werden große Menschenmengen erwartet, was zeigt, welche Kraft die Bewegung inzwischen entwickeln konnte, die vor etwas mehr als einem Jahr ihren Anfang nahm, als Greta Thunberg allein in ihrem gelben Regenmantel ihren Protest auf die Stockholmer Straße trug.

Politische Konflikte

Auf internationaler Ebene ist man sich jedoch gar nicht einig, wie auf die Krise reagiert werden soll – und ob es sich überhaupt um eine Krise handelt. Während einige Nationen begonnen haben, der ökologischen Herausforderung mit politischen Maßnahmen zu begegnen, halten andere die Füße still oder zweifeln, wie der Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump, sogar an, dass die globale Erwärmung von Menschen verursacht wird.

Wie unterschiedlich die OECD-Staaten reagieren, zeigen die Sustainable Governance Indicators (SGI) 2018 der Bertelsmann Stiftung zur Umweltpolitik. An die proaktive Spitze des Rankings schafften es Estland, Lettland, Schweden und die Schweiz mit 9 von 10 möglichen Punkten. Die Analysten bescheinigen diesen Ländern damit „hohe Umweltstandards und eine Politik zum wirksamen Schutz, zum Erhalt und zur Verbesserung der Nachhaltigkeit natürlicher Ressourcen“. Besorgniserregend ist, dass die USA am anderen Ende der Rangliste mit nur 4 Punkten mit am schlechtesten abschneiden. Der SGI-Analyse zeichnet hier ein düsteres Bild und stellt fest: „Für die Umweltpolitik war die Trump-Regierung eine schnell eskalierende Katastrophe.“

Der mit Spannung erwartete Gipfel steht ganz unter dem Eindruck dieser gegensätzlichen Positionen. Im Vorfeld des Treffens soll UN-Generalsekretär António Guterres die Staats- und Regierungschefs gebeten haben, ihre Strategien für das Erreichen der vereinbarten Reduktionsziele bis 2030 sowie ihre Pläne für Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu skizzieren. Bisher gab es jedoch nur schleppende Reaktionen.

Die Brände am Amazonas verschärfen die Spannungen

Während der New Yorker Klimagipfel näher rückt, drucken die Zeitungen Schlagzeilen über den brennenden Amazonas-Regenwald und die Bilder, die in den sozialen Netzwerken kursieren, verweisen noch einmal auf die Notwendigkeit eines raschen gemeinsamen internationalen Handelns. Eine Rekordzahl von Bränden lodert in dem berühmtesten Regenwald der Welt, der eine so große Fläche bedeckt, dass er rund ein Fünftel des weltweiten Sauerstoffs liefert, was ihn für die Verlangsamung der globalen Erwärmung unerlässlich macht. Ende August waren die Brände so stark, dass sie den Himmel über dem tausende Kilometer entfernten São Paulo, der größten Stadt der westlichen Hemisphäre, verdunkelten.

Der brennende Amazonas hat die internationalen Spannungen vergrößert. Inmitten des internationalen Aufschreis ist eine diplomatische Krise zwischen Brasilien und Europa entbrannt. Der populistische rechtsextreme brasilianische Präsident Jair Bolsonaro geißelte ausländische Interessen am Amazonas-Regenwald als Überbleibsel einer „kolonialen“ Denkweise.

Der Zorn der Beobachter stieg um ein Vielfaches, als Bolsonaro sich hartnäckig weigerte, Geld von der G7 anzunehmen, um den Schaden zu begrenzen. Lokale Medien in Brasilien berichteten, dass Brandrodungen für die nächsten 60 Tage verboten werden sollten – abgesehen von einigen Ausnahmen im Rahmen bereits genehmigter land- und forstwirtschaftlicher Vorhaben. Dies dürfte jedoch kaum ein Umschwenken in der politischen Linie bedeuten.

Schließlich hat Bolsonaro, der Anfang des Jahres die Macht übernahm, seine extremistischen Ansichten schon vielfach geäußert – einschließlich der Leugnung des Klimawandels. Er und sein gleichgesinnter Umweltminister Ricardo Salles setzen sich für bedingungslose Entwicklung ein und förderten die Brandrodung, indem sie die Befugnisse der nationalen Umweltbehörde einschränkten und die „Lunge des Planeten“ dem Gutdünken der Landwirte und Entwickler überließen.

Die Kluft zwischen den populistischen Rechtsaußen und den umweltbewussten internationalen Politikern scheint sich trotz des mahnenden Slogans der UN vor dem Gipfel nicht zu verkleinern. Schlimmer noch, es gibt Anzeichen dafür, dass die Polarisierung zunimmt. Trump zeigte der Welt, wie Klimaskeptiker sich gegenseitig stützen, indem er Bolsonaro über Twitter sein Unterstützung zusagte. Er lobte den „großartigen Job“, den Bolsonaro mache, und schrieb: „Er arbeitet sehr hart gegen die Feuer im Amazonasgebiet“. Der SGI-Länderbericht 2019 über die USA, der im Herbst veröffentlicht werden wird, bietet eine düstere Prognose für die Umweltpolitik des Landes: „Während der Präsidentschaft von Trump ist kein nationales Handeln zu erwarten. (…) Trump scheint alle Maßnahmen der Obama-Regierung rückgängig machen zu wollen und braucht dafür keinen weiteren Grund.“

Und selbst Greta Thunberg, der es mehr als jedem anderen gelungen ist, der Welt die Dringlichkeit der Klimakrise einzuhämmern, ist sich über ihre Chancen, bei der US-Führung auf offene Ohren zu stoßen, im Klaren. Nach ihrer kohlenstofffreien Bootsfahrt über den Atlantik in New York angekommen wurde sie im Vorfeld des Gipfels nach ihrer Botschaft für Trump gefragt. Ihre Antwort lautete: „Ich sage: ‚Hört auf die Wissenschaft!‘ Doch er tut das offensichtlich nicht. Wenn ihn bisher niemand von der Klimakrise und ihrer Dringlichkeit überzeugen konnte, warum sollte ich das schaffen?“

Jess Smee ist Journalistin und Redakteurin der SGI Newsund des BTI-Blogs der Bertelsmann Stiftung.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.