Der Idee Europas fehlt es an politischer Einigkeit, emotionaler Strahlkraft und militärischer Stärke, um geopolitisch wirklich eine Rolle spielen und Verantwortung übernehmen zu können. Europa ist zudem nicht neugierig genug auf die Veränderungen in der Welt und gefällt sich in seinem Eurozentrismus. Mit dieser Einschätzung endete der Trilog Salzburg 2005, an dem 22 Experten aus elf Ländern auf Einladung des österreichischen Bundeskanzlers Dr. Wolfgang Schüssel und Liz Mohn, stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung, teilnahmen.
Die von Bundeskanzler Schüssel geleitete Diskussion in der Salzburger Residenz reflektierte über eineinhalb Tage, inwieweit Europa zu einer abgestimmten Botschaft an die Welt kommen könne. Einigkeit bestand darin, dass angesichts des globalen Ausmaßes der sozialen, ökologischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen ein gemeinsames Handeln von Politik, Wirtschaft und Kultur erforderlich ist.
Wolfgang Schäuble, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, vertrat die Ansicht, dass Europa diese Herausforderungen nur in enger transatlantischer Partnerschaft erfolgreich angehen könne. Es gehe nicht um eine spezifische Botschaft Europas, sondern um eine Botschaft der gesamten westlichen Welt, die durch die globalen Herausforderungen gefordert sei.
Pascal Lamy, der designierte Generalsekretär der WTO, forderte ein verstärktes Eintreten der Europäischen Union für die Prinzipien der Nachhaltigkeit und des Multilateralismus. Weltweite Sicherheit sei langfristig nur auf der Basis dieser von Europa befürworteten Prinzipien zu erreichen. Dies setze aber eine größere Kohärenz in der Arbeit der verschiedenen internationalen Organisationen voraus, wovon man leider noch sehr weit entfernt sei.
Der spanische Komponist und Dirigent Cristóbal Halffter sah die Hauptaufgabe Europas darin, die europäischen Werte und kulturellen Errungenschaften in den Dialog der Zivilisationen einzubringen. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Zivilisationen, die die Aufklärung nicht durchlaufen hätten. Hier müsse Europa für das humanistische Weltbild, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, Trennung von Kirche und Staat sowie die Menschenrechte eintreten. So könne Europa langfristig zur Wiege der Erneuerung des Islams werden, genauso wie der Islam im Mittelalter von Spanien aus zur Erneuerung Europas führte.
Grundlage des Gesprächs am runden Tisch bildete ein Diskussionspapier der Bertelsmann Stiftung, das zusammen mit ausgewählten Diskussionsbeiträgen als Publikation bestellt oder als pdf heruntergeladen werden kann.