Zu sehen sind Hände, die ein Tablet in der Hand halten. Daraif ist das Cover der Studie " Patientenpfade im dDMP Diabetes" zu sehen.

Patientenpfade zeigen: So könnte das digitale DMP Diabetes die Versorgung verbessern

Neun Millionen Menschen in Deutschland leben mit Diabetes, davon sind knapp fünf Millionen in strukturierten Versorgungsprogrammen (DMP) eingeschrieben. Ab 2027 sollen sich erste Patientinnen und Patienten in digitale DMP Diabetes einschreiben können. Die neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, wie analoge und digitale Elemente dabei ineinandergreifen können – für eine bessere und personalisierte Versorgung. 

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Marion Grote-Westrick
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Andrea Fürchtenicht
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Diabetes erfordert regelmäßige Kontrollen, Therapieanpassungen und viel Abstimmung zwischen Ärztinnen, Ärzten, Diabetesberaterinnen, Praxisteams sowie weiteren Beteiligten. Genau hier setzt das zukünftige digitale Disease-Management-Programm (dDMP) Diabetes an: Es soll digitale Lösungen mit analogen Versorgungssituationen verzahnen. 

Die Studie „Patientenpfade im digitalen DMP Diabetes“, erstellt von der Digitalberatung _fbeta GmbH im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, beschreibt, wie diese hybride Versorgung aussehen könnte. Ziel ist es, die Qualität zu erhöhen, Abläufe zu vereinfachen und die Versorgung stärker auf die individuelle Situation der Patientinnen und Patienten zuzuschneiden.

Grundpfeiler des digitalen DMP Diabetes

Das dDMP Diabetes wurde 2024 mit dem Digitalgesetz auf den Weg gebracht. Mit Inkrafttreten der DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL) im Laufe der nächsten Monate müssen Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen Verträge schließen, um das Programm mit Leben zu füllen. Klar ist bereits: Fundament des dDMP sind die digitalen Anwendungen der Telematikinfrastruktur – darunter die elektronische Patientenakte (ePA), der TI-Messenger, der sichere E-Mail-Dienst KIM sowie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), Videosprechstunden und der Terminservice 116117. Diese Bausteine werden in den kommenden Jahren schrittweise erweitert und sollen eine moderne, patientenzentrierte Versorgung ermöglichen.

Patientenpfade zeigen den Alltag im dDMP

Die Studie macht sichtbar, wie eine digital unterstützte Versorgung ab 2027 aussehen könnte – und welchen Nutzen sie für Betroffene sowie für Behandelnde bringt. Anhand typischer Versorgungspfade wird dargestellt, wie digitale und analoge Elemente in konkreten Situationen sinnvoll und zielgerichtet eingesetzt werden können. So kann etwa nach einer Unterzuckerung (Hypoglykämie) ein kurzer Austausch per TI-Messenger die Nachsorge erleichtern. Ein in die elektronische Patientenakte (ePA) eingestellter DiGA-Report kann dem koordinierenden Arzt oder der koordinierenden Ärztin den Verlauf des Langzeitblutzuckers aufzeigen. Ein digital gepflegter Medikationsplan unterstützt Patientinnen und Patienten zuverlässig bei der Einnahme ihrer Medikamente.


Ein weiteres Beispiel ist die Buchung eines Augenarzttermins im Rahmen der regelmäßigen Screeninguntersuchungen: Patienten erhalten eine Erinnerung als Chatnachricht im Cockpit ihrer Kassen-App, das zugleich ihr persönlicher Zugang zur elektronischen Patientenakte (ePA) ist (kasseneigene ePA-App). Über eine Schnittstelle zum Terminservice 116117 können sie dort direkt einen passenden Termin auswählen und buchen. Nach der Untersuchung wird der Befund in die ePA geladen und steht der koordinierenden Praxis und dem Patienten zur Verfügung.

Insgesamt beschreibt die Studie fast fünfzig typische Versorgungssituationen, die zeigen, wie digitale Bausteine zielgerichtet in den Versorgungsalltag integriert werden können

Mehrwerte des digitalen DMP Diabetes

Im dDMP übernehmen Hausärztinnen und Hausärzte bei Diabetes Typ 2 sowie Diabetologinnen und Diabetologen bei Diabetes Typ 1 die koordinierende Rolle. Sie steuern die Versorgung, entscheiden gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten über analoge oder digitale Schritte und binden weitere Gesundheitsberufe ein. Damit stärkt das dDMP nicht nur die Versorgungsqualität für Menschen mit Diabetes, sondern zeigt modellhaft auf, welche Vorteile ein digital unterstütztes Primärarztsystem für Menschen mit chronischen Erkrankungen, für die es bereits Disease-Management-Programme gibt, bringen kann:

  • Stärkung der Lotsenfunktion: Die koordinierende Praxis ist zentrale Anlaufstelle und kann mithilfe digitaler Lösungen wie der ePA, des TI-Messengers oder KIM komplexe Informationsflüsse sicherstellen und überblicken.
  • Delegation: Asynchrone Kommunikation und Telemedizin ermöglichen eine engmaschige Betreuung von Patientinnen und Patienten durch Diabetesberater ad hoc und situativ.
  • Entlastung durch Digitalisierung: Digitale Lösungen übernehmen Routineaufgaben wie Terminmanagement oder Verlaufsdokumentation und entlasten damit das Praxisteam. Für die im dDMP eingeschriebenen Patientinnen und Patienten können die kasseneigenen ePA-Apps Informationen und Services in einem Patienten-Cockpit bündeln.
  • Personalisierung: Sowohl DiGA als auch die kasseneigenen ePA-Apps können auf die individuelle Situation der Betroffenen eingehen, über Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) deren Gesundheitszustand erfragen und sie bei Lebensstiländerungen unterstützen.

Mehrwert und Ausblick des digitalen DMP Diabetes

Das digitale DMP Diabetes soll ab 2027 weit mehr sein als ein technisches Zusatzmodul: Es stärkt die Selbstbestimmung der Patientinnen und Patienten, verbessert die Kommunikation zwischen allen Beteiligten, entlastet Praxisteams und gibt Ärztinnen und Ärzten mehr Überblick. Damit entsteht ein Modell, wie chronische Erkrankungen künftig moderner und effizienter versorgt werden können – eine wichtige Antwort auf steigende Patientenzahlen und den wachsenden Fachkräftemangel. 

Damit diese Perspektive Wirklichkeit wird, müssen Institutionen wie gematik, KBV, Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen jetzt die technischen und vertraglichen Grundlagen schaffen. Die in der Studie skizzierten Versorgungsprozesse zeigen, wie digitale Bausteine Schritt für Schritt weiterentwickelt und zu einem zukunftsfähigen Programm für Menschen mit Diabetes und anderen chronischen Erkrankungen ausgebaut werden können. 

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Workshops im Projekt

Die Studie stützt sich auf vier Präsenz-Workshops mit Expertinnen und Experten aus Versorgung, Selbstverwaltung, Digital Health und Patientenvertretung. In Impulsvorträgen und Gruppenarbeiten wurden Versorgungssituationen diskutiert, Beispiele entwickelt und digitale Lösungen in Pfade übersetzt.

Die vier Workshops im Überblick:

Workshop 1 – Therapieeskalation (Juni 2024)

  • Thema: Wie fühlen sich digital unterstützte, personalisierte Abläufe für Betroffene und Behandelnde an?
  • Beiträge u. a.:
    • Sophia Matenaar (Bundesministerium für Gesundheit): dDMP Diabetes – Rahmensetzungen und Entwicklungen
    • Dr. Jörg Caumanns (_fbeta GmbH): DiGA.PRO im Rückblick: Kernergebnisse und Konzepte
    • Dr. Jörg Caumanns (_fbeta GmbH): Methodik und Einführung zu den Patientenpfaden
    • Anne Seubert (Betroffene, Brands & Places): Chancen der digitalen Diabetesversorgung: Ein Patientenblick
    • PD Dr. Maria Karsten (PRO-B, Charité): Unterstützung der Therapiesteuerung durch Patientenfeedback – Patient-Reported Outcomes

Workshop 2 – Lebensstiländerung & Deeskalation (Oktober 2024)

  • Thema: Digitale Unterstützung für Lebensstiländerungen bis hin zur Remission.
  • Beiträge u. a.:
    • Prof. Dr. med. Andreas Birkenfeld (Universitätsklinikum Tübingen): Lebensstilanpassungen bei (Prä-) Diabetes: Chancen und digitale Unterstützungen
    • Marion Grote Westrick (Bertelsmann Stiftung) und Dr. Patrick Timpel (_fbeta GmbH): Blitzlicht zu Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) im Kontext der Diabetesversorgung
    • Katrin Schmidt (AOK Nordost): Rolle der Krankenkassen: Unterstützung von Lebensstilanpassungen im Rahmen von digitalen DMP 
    • Dr. Jörg Caumanns (_fbeta GmbH): dDMP Diabetes: digitale Unterstützungsmöglichkeiten für die Lebensstilanpassung
    • Sophia Matenaar (Bundesministerium für Gesundheit): Blitzlicht: Entwurf des Gesundes-Herz-Gesetzes
    • Jonas Albert (_fbeta GmbH): DiGA und anwendungsbegleitende
      Erfolgsmessung (AbEM)

Workshop 3 – Digitale Umsetzungen im Versorgungsalltag (Januar 2025)

  • Thema: Wofür steht das „d“ im dDMP an Steuerpunkten wie Zielvereinbarung, Schulung oder Lebensstiländerung?
  • Beiträge u. a.:
    • Jörg Caumanns (_fbeta) Rückblick auf die bisherigen Workshops und deren Ergebnisse
    • Prof. Dr. med. Andreas Birkenfeld zu digitale Umsetzungen zur Unterstützung von Lebensstiländerungen
    • Prof. Ariel Stern (HPI) zu Lebensstil-Interventionen im Rahmen von Remote Patient Monitoring (in den USA)

 

Workshop 4 – Umsetzung durch Krankenkassen (März 2025)

  • Thema: Bausteine für Umsetzungsverträge und Rolle der Kassen.
  • Beiträge u. a.:
    • Dr. Jörg Caumanns (_fbeta GmbH): Stand des dDMP Diabetes und Ziele des Tages
    • Celil Genç (gematik): Die TI im April 2026
    • Dr. Christian Graf (BARMER): Überregionale Angebotsbestandteile im dDMP