Das Projekt „Forum gegen Fakes – Gemeinsam für eine starke Demokratie“ der Bertelsmann Stiftung zielte darauf ab, über die klassische Bürgerbeteiligung hinaus eine breite öffentliche Debatte über den Umgang mit Desinformation anzustoßen. Es kombinierte eine breite Online-Beteiligung mit einem vielfältig zusammengesetzten Bürgerrat. Durch die hohe Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Online-Beteiligung konnten sich hunderttausende Menschen in Deutschland aktiv einbringen. Im Zusammenspiel beider Formate entstanden 15 Empfehlungen, die im September 2024 an das Bundesministerium des Innern und für Heimat übergeben wurden.
Wie das Zusammenspiel beider Formate im Detail ablief und warum öffentliche Debatte und Bürgerbeteiligung zusammen gedacht werden sollten, lesen Sie in diesem SHORTCUT.
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Eine innovative Kombination von Online- und Offline-Beteiligung
Wie können wir uns vor Desinformation schützen? Diese Frage war Ausgangspunkt des Projekts „Forum gegen Fakes – Gemeinsam für eine starke Demokratie“ (im Folgenden „Forum“ genannt) der Bertelsmann Stiftung, der Stiftung Mercator und der Michael Otto Foundation for Sustainability. Das Ziel: eine breite öffentliche Debatte zum gesellschaftlichen Umgang mit Desinformation anstoßen und mit Bürger:innen konkrete Empfehlungen erarbeiten.
Dazu wurde die Kombination zweier Formate erprobt: Eine breite Online-Beteiligung und ein vielfältig zusammengesetzter Bürgerrat. Die Stärken beider Formate konnten genutzt werden: Ein 120-köpfiger Bürgerrat führte tiefergehende Diskussionen mithilfe des Feedbacks der Online-Beteiligung und des Wissens von Expert:innen und Stakeholder:innen. Die leicht zugängliche Online-Beteiligung und deren hohe Sichtbarkeit durch breite Werbung in sozialen und klassischen Medien sowie im öffentlichen Raum ermöglichte es hunderttausenden Menschen in Deutschland, sich aktiv einzubringen. Online-Teilnehmende konnten Vorschläge einreichen und zur Abstimmung stellen oder (vorläufige) Empfehlungen des Bürgerrats kommentieren. Aus diesem Zusammenspiel entstanden 15 Empfehlungen, die im September 2024 in Form eines Bürgergutachtens an das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) übergeben wurden.
Die Empfehlungen stießen medial und gesellschaftlich auf eine breite und diverse Resonanz und gaben der Debatte zum Umgang mit Desinformation weiteren Auftrieb.
Die Online-Beteiligung in Zahlen
- 3 Online-Beteiligungsphasen
- 3.314 Vorschläge wurden eingereicht
- 423.992 Teilnahmen gab es an den drei Online-Beteiligungen
- 1.509.720 Abstimmungen wurden von den Teilnehmenden eingebracht
Die Öffentlichkeitskampagne in Zahlen
- 5.500 digitale Screens in ganz Deutschland, über die die Kampagne ausgespielt wurde
- über 1.000 Anzeigen geschaltet auf den Plattformen Instagram und Facebook
- in 140 Zeichen konnten Online-Teilnehmende vom 24.01. bis 01.04.2024 Vorschläge einbringen. Über ein Widget wurden die Vorschläge in zahllosen Artikeln im Politikressort von t-online.de geteilt und zur Abstimmung gestellt
Sichtbarkeit und breite Kommunikation:
Grundlagen für den Erfolg des „Forum gegen Fakes“
Sichtbarkeit ist aufwändig, aber fundamental
Um in Gesellschaft und Politik Wirkung zu erzeugen, muss Beteiligung sichtbar sein. Dafür bedarf es eines erheblichen Einsatzes an Ressourcen in Bereichen wie Kommunikation, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Branding und Design, Medienpartnerschaften, sowie Werbung in Social Media und an öffentlichen Orten. Ein klares Kommunikationskonzept und ein starkes Netzwerk an Partner:innen und Multiplikator:innen waren die Basis für die Wirkung des Forums.
Je höher die Online-Beteiligung, desto größer der Mehrwert für den Bürgerrat
Die Online-Beteiligung wurde bewusst nutzerfreundlich und niedrigschwellig konzipiert, um eine möglichst große Anzahl an Ideen und Feedback zu generieren. Die Integration von Widgets in Social Media und Webseiten ermöglichte eine direkte Teilnahme. Allen voran die Kooperation mit dem Nachrichtenportal t-online sorgte für eine breite Rezeption. Die Teilnehmenden benötigten weder Vorkenntnisse zum Thema noch eine Anmeldung zur Teilnahme. Input war über sehr kurze Statements möglich, die von anderen schnell erfasst und direkt bewertet werden konnten. Die große Menge an diversem Input trug die öffentliche Debatte in den Bürgerrat und bereicherte deren Arbeit an den Empfehlungen unmittelbar.
Eine breite Online-Beteiligung stärkt die Wirkung der Empfehlungen
Empfehlungen, die nicht nur von 120, sondern zusätzlich von tausenden Teilnehmenden verantwortet werden, haben höhere Chancen auf politische und gesellschaftliche Wirkung. So entstand nach Veröffentlichung der Empfehlungen eine rege öffentliche Debatte in sozialen und klassischen Medien über den Umgang mit Desinformation. Dies kann den Druck auf politische Entscheider:innen erhöhen, aktiv an Lösungen zum Umgang mit Desinformation unter Rücksichtnahme der Empfehlungen zu arbeiten.
Bürgerbeteiligung und öffentliche Debatten gehören zusammen
Eine liberale Demokratie lebt davon, dass sich Bürger:innen informieren und politisch einbringen. Gleichzeitig erwarten Bürger:innen, dass sich durch ihr Engagement politisch etwas bewegt. Deshalb macht es Sinn, öffentliche Debatten und Bürgerbeteiligung zusammenzudenken. Teilnehmende von Bürgerräten wünschen sich eine breite Rezeption ihrer Arbeit und Empfehlungen in Politik und Gesellschaft. Die Kombination von Bürgerrat und öffentlicher Debatte kann das leisten.
Bürgerräte finden häufig außerhalb der breiten öffentlichen Debatte statt. Das ist bewusst so konzipiert: Teilnehmende sollen sich intensiv, in einem geschützten Raum mit einem Thema beschäftigen und in Abwägung des Für und Wider verschiedener Handlungsalternativen zu Ergebnissen kommen. Durch seine begrenzte Teilnehmendenschaft bleibt der Bürgerrat für viele Menschen jedoch eine „Black Box“. Das Format ist effektiv darin, fundierte Ergebnisse durch eine hohe Debattenqualität zu erzielen, aber es gelingt meist nicht, diesen genügend öffentliches Gewicht zu verleihen. Breite Debatten besitzen das Potenzial, politische Wirkung zu entfalten. Ihnen fehlt es jedoch häufig an Ausbalancierung, konstruktivem Miteinander und an Fokus auf das Gemeinwohl.
Das „Forum gegen Fakes“ zeigt, dass Teilnehmende des Bürgerrats die Anbindung ihrer Arbeit an den öffentlichen Diskurs als eine Bereicherung wahrnehmen, als Form effektiven Feedbacks sowie als Zugewinn an Strahlkraft der eigenen Arbeit. Das Feedback der Online-Teilnehmenden wiederum zeigt, wie wichtig es ihnen war, dass ihr Input aktiv aufgegriffen und in konkrete Empfehlungen umgewandelt wird. Ob Klimawandel, Krieg oder Migration – öffentliche Debatten werden in einer immensen Intensität geführt. Sich selbst überlassen, laufen diese Debatten – insbesondere auf Social Media – Gefahr, Desinformation und Verunsicherung zu verbreiten und führen oft zu Frust und selten zu konkreten Lösungen. Das Forum zeigt: Die Verbindung von Bürgerrat und Online-Beteiligung kann ein Baustein sein, konstruktiver mit solchen Debatten umzugehen und Bürger:innen demokratische Mitsprache zu ermöglichen.
Wie das Entstandene echte Wirkung entfalten kann
Das Forum zeigt eindrucksvoll, was innerhalb weniger Monate entsteht, wenn eine Vielzahl an Menschen sich in Debatten einbringt und Bürger:innen informiert diskutieren: ausbalancierte Empfehlungen, die von einer breiten Öffentlichkeit getragen werden. Aber auch die wahrgenommene Selbstwirksamkeit der Menschen, die am Forum partizipiert haben, ist ein wertvolles Ergebnis.
Effektive Teilhabe realisiert sich jedoch nachhaltig nur, wenn die angestoßenen Debatten nach den Beteiligungsphasen fortgeführt werden und entwickelte Lösungsansätze den politischen Diskurs mitbestimmen. Es braucht deshalb einen umsichtigen Folgeprozess, der von einem Verbund aller in dem jeweiligen Themenfeld relevanten Akteur:innen engagiert getragen wird.
So informierte das BMI frühzeitig potenzielle Adressat:innen über das Forum und startete einen Reflexionsprozess mit betroffenen Behörden und Stakeholder:innen. Eine Berichterstattung zum weiteren Vorgehen an den Bürgerrat ist für 2025 geplant.
Besonders bei politisch sensiblen Themen wie im „Forum gegen Fakes“ ist größtmögliche Transparenz und fortlaufende Kommunikation bei allen Prozessschritten von großer Bedeutung.
Message to go:
Autoren
Rebekka Vollmer
rebekka.vollmer@bertelsmann-stiftung.de
Bluesky: @rebekkavollmer.bsky.social
Stefan Roch
stefan.roch@bertelsmann-stiftung.de
Bluesky: @stefan2710.bsky.social
Wichtig für Praktiker:innen
- Gestaltet die Online-Beteiligung so unkompliziert und zugänglich wie möglich!
- Sorgt online mithilfe von Moderation für ein ausgeglichenes und respektvolles Miteinander!
- Legt konkrete Punkte fest, an denen Online-Beteiligung und Bürgerrat ineinandergreifen!
- Plant einen substanziellen Bestandteil eures Budgets für Kommunikation ein!
- Baut eine breite Partnerstruktur mit Akteur:innen aus Medien, Zivilgesellschaft und Politik auf!
- Denkt den Follow-up-Prozess von Beginn an mit!
Impressum
Demokratie und Zusammenhalt
© Dezember 2024 Bertelsmann Stiftung
Bertelsmann Stiftung | Carl-Bertelsmann-Straße 256 | 33311 Gütersloh
www.bertelsmann-stiftung.de
Verantwortlich:
Dr. Dominik Hierlemann, Dr. Finn Heinrich, Dr. Angela jain
Titelbild: © Francesco Ciccolella
Die Reihe shortcut präsentiert und diskutiert interessante Ansätze, Methoden und Projekte zur Lösung demokratischer Herausforderungen in einem komprimierten und anschaulichen Format. Das Projekt New Democracy der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht es in unregelmäßigen Abständen.