Demo Climate Justice

Klimasoziale Transformation: Ökologische Nachhaltigkeit & soziale Kohäsion sind kein Widerspruch

In Teil 2 unserer neuen Focus Paper Serie zu den zentralen Zieldimensionen einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft widmen wir uns der Frage nach dem Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Ungleichheit und der Klimakrise, möglichen Zielkonflikten, aber auch nach den Chancen und Synergieeffekten einer integrierten Klima- und Verteilungspolitik. Unser Papier zeigt, dass und warum sozioökonomische Ungleichheit ein Emissionstreiber ist, inwiefern effektiver Klimaschutz eine vorbeugende Maßnahme gegen ein weiteres Auseinanderklaffen von Lebensverhältnissen ist, aber auch wie eine integrierte Klima- und Verteilungspolitik realisiert werden. 

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Daniel Posch
Project Manager

Inhalt

Der menschengemachte Klimawandel und die zunehmende ökonomische Ungleichheit bei gleichzeitigem Überfluss gehören zu den größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Während die globale Erwärmung uns zwingt, das aktuelle Wirtschaftssystem grundlegend zu transformieren, schafft die zunehmende Polarisierung von Einkommen und Vermögen Widerstände gegen einen allzu drastischen und wenig ausbalancierten Klimaschutz. Antworten auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen sozioökonomischer Ungleichheit und der Klimakrise sind das Gebot der Stunde, wenn es darum geht diese beiden drängenden gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen zu bewältigen. Dies impliziert mögliche Zielkonflikte, aber auch Chancen und Synergieeffekte einer integrierten Klima- und Verteilungspolitik.

In unserem Focus Paper beleuchten wir drei Ungleichheitsdimensionen der Klimakrise sowie deren Wechselwirkungen mit Einkommens- und Vermögensungleichheit:

  1. Ungleichheit hinsichtlich der Emissionshöhe / Verursachung der Klimakrise
  2. Ungleichheit hinsichtlich der Betroffenheit durch Klimaschäden
  3. Rolle von sozioökonomischer Ungleichheit bei Klimaschutzmaßnahmen

Die zentralen Thesen & Ergebnisse lauten:

Ungleichheit ist ein „Emissionstreiber“

Die empirische Forschung der vergangenen 15 Jahre zeigt für wohlhabende Länder, dass eine stärkere Einkommens- und Vermögenskonzentration mit höheren Treibhausgasen assoziiert ist. Für diesen positiven Zusammenhang zwischen ökonomischer Ungleichheit und CO2-Emissionen werden in der Studie mehrere mögliche Wirkungskanäle ausgemacht.

Einer davon betrifft den Konsum bzw. die Konsummuster von Mittelschichtshaushalten. Das Verlangen und der soziale Druck auf einzelne Individuen, die Konsummuster ökonomischer Eliten nachzuahmen, steigen mit zunehmendem Auseinanderklaffen der Lebensverhältnisse. Ihren Versuch, durch Statuskonsum („conspicuous consumption“) die ökonomischen Eliten nachzuahmen, finanziert die Mittelschicht bei steigender Ungleichheit zunehmend durch Kredite oder längere Arbeitszeiten; beides steht in engem Zusammenhang mit höheren Treibhausgasemissionen. Hinzu kommt, dass statusrelevante Konsumkategorien auch häufig energieintensiv sind.

Geringere Ungleichheit schont das Klima

Steigende Ungleichheit hängt über verschiedene Wirkungskanäle mit einem höheren Emissionsniveau zusammen. Ungleichheitsreduktion ist auch Klimapolitik. Beispielsweise fördert die Reduktion sozioökonomischer Ungleichheit Demokratie und sozialen Zusammenhalt. Dies wirkt sich tendenziell positiv auf das Vertrauen bzw. die Kooperationsbereitschaft in Transformationsprozessen aus.

Ungleichheit in puncto Verursachung der Klimakrise

Einkommens- und vermögensreiche Menschen verursachen einen überproportional großen Anteil der CO2-Emissionen. Im Kontrast dazu erhalten Menschen mit geringem Einkommen häufig keinen ausreichenden Zugang zu lebenswichtigen Energiedienstleistungen und leben in Energiearmut. Das obere Ende der Einkommensskala (innerhalb & zwischen Ländern) hinterlässt einen deutlich größeren ökologischen Fußabdruck als der Rest. Ihre Emissionen haben außerdem im Lauf der Zeit zugenommen und auf sie entfällt der Großteil des energieintensiven Luxuskonsums.

Seit 1990 sind in vielen Hocheinkommensländern, wie auch in Deutschland, die durchschnittlichen Pro-Kopf Emissionen zurückgegangen. Dies verdeckt jedoch eine heterogene Tendenz zwischen den Einkommensgruppen. Während die Emissionen der niedrigen und mittleren Einkommensklassen der reicheren Länder seit den 1990er-Jahren gesunken sind, haben sich Einkommen und Vermögen und in der Folge auch Emissionen stärker an der Spitze der Verteilung konzentriert.

In Deutschland verursacht das einkommens- und vermögensstärkste Prozent der Bevölkerung durchschnittlich 120 t CO2e pro Jahr, dreimal so viel wie die obersten 10 % (34 t CO2e) und 20-mal so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung, die durchschnittlich 6 t CO2e pro Kopf verursacht.  Weniger als 1 % der Bevölkerung hat einen 1,5-Grad-kompatiblen CO2-Fußabdruck.

Ungleichheit in puncto Betroffenheit

Die Klimakrise trifft untere Einkommensgruppen deutlich härter. Dies ist auf das Zusammenspiel aus höherer Exposition und geringeren Bewältigungskapazitäten zurückzuführen. Sozioökonomisch benachteiligte Haushalte sind häufiger negativen Klimaereignissen ausgesetzt und verfügen über geringere Kapazitäten, um sich vor den Gefahren der Klimakrise zu schützen bzw. um nach klimabedingten Schocks zu ihrem ursprünglichen Alltag zurückzukehren. Verfügbare Evidenz in puncto Vulnerabilität gegenüber Klimarisiken zeigt, dass bereits moderate Klimaereignisse bei einkommensärmeren Menschen zu großen Schäden führen können. Effektiver Klimaschutz stellt also auch eine vorbeugende Maßnahme gegen die Verstärkung von Ungleichheiten dar.

Klimaschutz & Ungleichheitsreduktion wirken Hand in Hand

Obwohl in der öffentlichen Debatte der Eindruck entstehen mag, dass Klimaschutz und kurzfristige soziale Ziele in einem Konfliktverhältnis zueinanderstehen, kann dies empirisch nicht bestätigt werden. Klimapolitik kann eine regressive Wirkung haben und soziale Härten verursachen. Ob Klimaschutzmaßnahmen Ungleichheiten reduzieren oder verschärfen, hängt stark von dem konkreten klimapolitischen Instrument, dessen Design sowie der Zielsetzung ab. Werden die Verteilungswirkungen beim Design von Klimapolitiken mit in Betracht gezogen, besteht ein großes Potenzial, Klimaschutz ungleichheitssenkend zu gestalten.

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