Eine krisenfeste, effektive und faire europäische Flüchtlingspolitik basiert auf drei Säulen. Erstens braucht es eine stärkere Unterstützung von Geflüchteten in ihren Herkunftsregionen, da die meisten Flüchtlinge zunächst Schutz in ihren Nachbarstaaten suchen. Derzeit leben laut UNHCR 80 Prozent aller Flüchtlinge in Ländern, die an ihre Herkunftsstaaten angrenzen. Daher ist es sinnvoll, die Hauptaufnahmeländer (z.B. Türkei, Libanon, Jordanien) deutlich stärker als bislang finanziell bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge zu unterstützen.
Zweitens bedarf es eines wesentlich effektiveren Asylmanagements innerhalb von Europa. Das beinhaltet einheitliche Asylstandards in den Mitgliedstaaten, schnelle und qualitativ hochwertige Asylverfahren mit Rechtsvertretung für Schutzsuchende nach Schweizer Vorbild, wirksame Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen, sowie den Ausbau legaler Fluchtwege für besonders schutzbedürftige Personen. Ohne legale Fluchtoptionen, beispielsweise über gut kontrollierte, humanitäre Aufnahmeprogramme (Resettlement), wird es keine nachhaltige Reduktion irregulärer Migration geben. Durch größere und langfristigere humanitäre Aufnahmeprogramme kann die EU die Erstaufnahmestaaten von Flüchtlingen zusätzlich entlasten.
Drittens bedarf es einer wesentlich wirksameren Fluchtursachenprävention. Fast 60 Prozent aller Flüchtlinge in der Welt kommen laut UNHCR aus nur drei Staaten (Syrien, Afghanistan und Süd-Sudan). Eine hervorgehobene Rolle spielen hier wirksamere Bemühungen der EU und der internationalen Gemeinschaft um die Befriedung der Kriege und Konflikte. Ein weiterer Baustein könnten zudem Migrationspartnerschaften der EU mit Drittstaaten in den Herkunftsregionen von Schutzsuchenden sein, um effektiver mit den Herausforderungen von Fluchtmigration umzugehen.
Asylpolitik krisenfest und zukunftssicher gestalten
Deutschland und die EU stehen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik weiter vor enormen Herausforderungen. Wir brauchen eine krisenfeste, effektive und faire Asyl- und Migrationsgestaltung in Europa, die pragmatisch und solidarisch ist.
Inhalt
Initiative: Making Asylum Systems Work in Europe
In Kooperation mit dem Migration Policy Institute Europe (MPIE) und weiteren europäischen Stiftungen und Think Tanks möchte die Bertelsmann Stiftung einen Perspektivwechsel in der europäischen Flüchtlingspolitik anstoßen: von einer reaktiven zu einer proaktiven, effektiven und fairen EU-Asylpolitik. Durch die länderübergreifende Initiative werden auf Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse Reformvorschläge für eine Stärkung der Asylsysteme der EU-Mitgliedstaaten generiert. Untersucht werden hierbei insbesondere gute nationalstaatliche Ansätze aus Verwaltung und Zivilgesellschaft im Umgang mit Asyl.
Ausbau humanitärer Aufnahmeprogramme für besonders Schutzbedürftige (Resettlement)
Bislang gibt es für Schutzsuchende kaum Möglichkeiten, auf legalem Weg einen Asylantrag in der EU zu stellen. Da Anträge auf Asyl in der Regel nur direkt in einem europäischen Mitgliedstaat gestellt werden können, sehen Schutzsuchende oftmals keine Alternativen zu einer irregulären Einreise. Das verstärkt nicht nur die Abhängigkeit der Schutzsuchenden von Schleusern, sondern führt zu kaum kontrollierbaren Fluchtbewegungen insgesamt. Verstärkte Grenzschutzmaßnahmen allein werden nicht ausreichen, um die ursächlichen Anreize zu minimieren, irregulär in die EU zu flüchten. Humanitäre Aufnahmeprogramme für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge (z.B. über Resettlement) haben das Potential, die Flüchtlingspolitik in Europa deutlich effektiver zu gestalten. Das gilt auch für staatlich-zivilgesellschaftliche Aufnahmeprogramme wie beispielsweise „Neustart im Team“ (NesT), für das sich die Bertelsmann Stiftung engagiert.
Migrationspartnerschaften
Neben einem wesentlich verbesserten EU-Asylmanagement ist eine vorausschauende Fluchtursachenprävention unabdingbare Voraussetzung für eine effektive europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik. Als Reaktion auf die Fluchtbewegungen nach Europa hat sich die EU unter anderem zum Ziel gesetzt, stärker als bislang mit ausgewählten Drittstaaten im Rahmen von „Migrationspartnerschaften“ zu kooperieren. Welche Voraussetzungen diese im Konkreten erfüllen müssen, um für alle Beteiligten gewinnbringend zu sein und welche Implikationen dies für die EU hat, möchte die Bertelsmann Stiftung näher erforschen.
Migrations- und Integrationsarbeitsgruppe des Europäischen Stiftungsverbunds
Die Bertelsmann Stiftung steht als Mitglied der Migrations- und Integrationsarbeitsgruppe des Europäischen Stiftungsverbunds (European Foundation Centre) in regelmäßigen Austausch mit anderen Stiftungen und Think Tanks zu aktuellen Migrationsfragen in Europa.