Ein Bild aus der Vogelperspektive: Menschen kreuzen einen Zebrastreifen

Fachkräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten steigt nur schleppend – weitere Impulse sind notwendig

Zuwanderung trägt dazu bei, den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern. Perspektivisch wird die Zuwanderung aus EU-Ländern angesichts des demografischen Wandels in Süd- und Osteuropa abnehmen. Deshalb wird die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten an Bedeutung gewinnen. Gerade aber die Fachkräftezuwanderung aus diesen sogenannten Drittstaaten entwickelt sich nur schleppend.

Ansprechpartner

Deutschland ist weiterhin ein beliebtes Zielland für Zuwanderung aus der EU, wie unsere neue Auswertung aktueller Zahlen des Ausländerzentralregisters zeigt. Die Mehrheit der Zuwanderer und Zuwanderinnen – insgesamt 55 Prozent – stammt aus EU-Staaten. 2018 waren es 635.537 Personen. 526.329 kamen aus Ländern außerhalb der EU (45 Prozent). Im Saldo, also Zuzüge abzüglich Fortzüge, waren es 240.145 aus EU-Staaten und 281.494 von außerhalb der EU. Viele der EU-Zuwanderer sind Fachkräfte: Mehr als 60 Prozent der in Deutschland lebenden EU-Staatsbürgerinnen und -bürger mit Zuwanderungserfahrung haben einen Hochschul- oder Berufsabschluss. Die EU-Zuwanderung wird aber langfristig abnehmen, denn auch die Bevölkerung in anderen EU-Mitgliedstaaten wird älter und weniger. Die Bedeutung der Zuwanderung von außerhalb der EU wird also steigen. 

Es kommen allerdings nur wenige Fachkräfte von außerhalb der EU nach Deutschland. Im Jahr 2018 waren es 38.682 (brutto). Ihre Zahl steigt zwar an, aber zuletzt nur sehr gering. Somit bewegt sich die Fachkräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten weiterhin auf niedrigem Niveau und beträgt weniger als 0,1 Prozent des gesamtdeutschen Angebots an Arbeitskräften von 47,5 Millionen. Besonders im Bereich der Personen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung werden wenig Fachkräfte gewonnen. 2018 erteilte die Bundesagentur für Arbeit nur 7.605 Zustimmungen im Rahmen von Vermittlungsabsprachen und Engpassberufen. Die Hauptherkunftsländer für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten sind Indien, die USA, Serbien, Bosnien-Herzegowina und China.

Deutschland muss seine Fachkräfte besser im Land halten

Viele zugewanderte Fachkräfte verlassen Deutschland auch wieder. 2018 wanderten 16.439 Personen mit einem Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit aus Deutschland ab. Ob ein Zugewanderter bleibt oder das Land wieder verlässt, hängt auch von seinem Aufenthaltsstatus ab. Denn die Bleibewahrscheinlichkeit ist höher bei Personen mit einer Blauen Karte EU, die mehr Rechte zuschreibt (z.B. eine schnellere Niederlassungserlaubnis), als bei Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis zur qualifizierten Beschäftigung. Erfreulich ist aus Sicht unseres Migrationsexperten, Matthias Mayer, dass die Zahl der Studierenden von außerhalb der EU, die nach dem Abschluss in Deutschland als Fachkraft einer Erwerbstätigkeit nachgehen, steigt, zuletzt von 9.217 auf 10.756. Auch diese Gruppe leistet einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, hatte sie doch bereits während der Ausbildung Gelegenheit, sich mit Sprache und Kultur vertraut zu machen. 

Auf Grundlage der Auswertung der Daten zur Zuwanderung im vorliegenden Factsheet empfiehlt Mayer, dass das im Juni verabschiedete Fachkräfteeinwanderungsgesetz konsequent umgesetzt wird: "Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen sowie die Erteilung von Visa und Aufenthaltstiteln muss schneller und einfacher vonstattengehen." Zudem gelte es, nach Inkrafttreten des Gesetzes zu beobachten, welche Wirkung es entfaltet. Falls die erhoffte deutliche Steigerung der Fachkräftezuwanderung ausbleibt, sollte nachgesteuert werden. Zu empfehlen ist auch, dass bessere Zukunftsperspektiven für Fachkräfte geschaffen werden, beispielsweise durch eine schnellere Einbürgerung. Ebenso sollten Möglichkeiten für Familienangehörige und Schutz vor Diskriminierung mitgedacht werden. Diese Faktoren machen Deutschland für ausländische Fachkräfte attraktiver, wie die im Mai veröffentlichen OECD-Attraktivitätsindikatoren zeigen.

Nicht zuletzt muss die Umsetzung der Fachkräftestrategie der Bundesregierung weiter vorangetrieben werden, damit die Fachkräftesicherung möglichst gleichmäßig auf die drei zentralen Säulen inländische, europäische und drittstaatliche Potenziale verteilt wird. Ansonsten wird das Angebot an Arbeitskräften demographisch bedingt bald stark abnehmen.

Die im Frühjahr veröffentlichte Studie Zuwanderung und Digitalisierung hat gezeigt, dass Deutschland bis zum Jahr 2060 im Jahresdurchschnitt ein Zuwanderungssaldo von 260.000 Personen – davon 146.000 aus Nicht-EU-Staaten – bräuchte, damit der Rückgang des Arbeitskräfteangebots auf ein für die Wirtschaft verträgliches Maß begrenzt würde. Wie hoch der Anteil an Fachkräften an diesem Zuwanderungsbedarf genau ist, lässt sich auf Grundlage der Daten nicht ermitteln. Sicher ist jedoch, dass Deutschland von einer höheren Fachkräfteeinwanderung und einer geringeren Fachkräfteabwanderung profitieren würde.