Die Flüchtlingskrise beherrscht die Debatte zur Migration. Dabei ist die qualifizierte Zuwanderung nach wie vor von großer Relevanz: Immer mehr Unternehmen klagen, der Fachkräftemangel verschärfe sich. Auch laut Bundesagentur für Arbeit gibt es etwa in technischen Berufen weiterhin Engpässe. Was die Deutschen Auslandsschulen als mögliche Quellen für die Zuwanderung von potenziellen Fachkräften besonders interessant macht, ist die neue Perspektive auf Arbeitsmigration, die vom Triple Win-Paradigma geprägt ist. Demnach sollte Fachkräftemigration vor allem dann gefördert werden, wenn sie zu einem dreifachen Nutzen führt und nicht nur Einwanderungsländern, die Fachkräfte brauchen, sondern auch den Migranten selbst und ihren Herkunftsländern Vorteile bringt. Voraussetzung für einen Triple Win ist die enge Kooperation zwischen Herkunftsländern und Zielländern im Migrationszyklus. In den Deutschen Auslandsschulen ist diese Kooperation im Geiste dreifachen Nutzens greifbar: Herkunftsländer profitieren, weil die Schulen auch Einheimischen exzellente Bildungschancen bieten, Einheimische profitieren, weil das Erlernen der deutschen Sprache ihnen Chancen für die Fortsetzung ihres Bildungs- und Karriereweges in Deutschland ermöglicht, und Deutschland als Einwanderungsland profitiert, weil die ausländischen Absolventen Deutscher Auslandsschulen über anschlussfähige Abschlüsse für den Hochschulzugang in Deutschland verfügen.
Deutsche Auslandsschulen leisten Beitrag zum Triple Win
Die Deutschen Auslandsschulen bieten großes Potenzial für die Fachkräftemigration und Fachkräftequalifizierung. Viele Absolventen der Schulen in mehr als 70 Ländern kommen nach Deutschland. Sie sprechen Deutsch, sind mit der deutschen Kultur vertraut und hoch qualifiziert. Ein Großteil der Absolventen hat auch im Ausland beruflich mit Deutschland zu tun. Dies sind zentrale Ergebnisse einer Studie des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen, für die Absolventen und Schulvertreter weltweit befragt wurden.
Untersuchung nimmt Migrationsmuster in den Blick
Der von der Bertelsmann Stiftung geförderten Untersuchung zufolge entscheidet sich jeder zweite Befragte Auslandsschulabsolvent für ein Studium oder eine Ausbildung in Deutschland (48 Prozent). Insgesamt kommen somit geschätzt jährlich rund 2.500 Deutsch sprechende und mit der deutschen Kultur vertraute junge Menschen aus der ganzen Welt nach Deutschland. Jeder dritte Befragte bleibt nach der Ausbildung in Deutschland (33 Prozent). Die in der Untersuchung identifizierten Migrationsmuster der befragten Auslandsschulabsolventen unterscheiden sich nach Staatsangehörigkeit. So gehen knapp zwei Drittel der befragten Absolventen mit deutscher Staatsbürgerschaft (62 Prozent) nach dem Schulabschluss nach Deutschland und etwa ein Drittel der nichtdeutschen Absolventen (32 Prozent). Der Bezug zu Deutschland bleibt aber auch im Ausland häufig bestehen: Knapp jeder dritte Absolvent hat nach Einschätzung der befragten Schulen im Ausland beruflich mit Deutschland zu tun (27 Prozent). Diese Absolventen sind demnach primär in der Wirtschaft beschäftigt (63 Prozent), aber auch in Wissenschaft und Forschung (31 Prozent), Schule und Bildung (21 Prozent) sowie in Regierung oder diplomatischem Dienst (19 Prozent).
MINT-Fächer weit verbreitet
Die befragten Auslandsschulabsolventen sind hoch qualifiziert und überwiegend in Berufsfeldern ausgebildet, die von Fachkräfteengpässen oder -mangel betroffen sind. Die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) sind weit verbreitet: Technik und Ingenieurwissenschaften ist unter den befragten Absolventen die beliebteste Fachrichtung (25 Prozent); auch Medizin/Gesundheitswesen und Naturwissenschaften/Mathematik werden häufig genannt (je 12 Prozent).
Potenzial der Auslandsschulen sollte gestärkt werden
„Aus Sicht der Bertelsmann Stiftung macht es deshalb Sinn, das Potenzial der Deutschen Auslandsschulen für die Fachkräftemigration nach Deutschland weiterzuentwickeln“, sagt Ulrich Kober, Director des Programms Integration und Bildung. „Es gilt, diese Schulen zu stärken, denn sie stehen vor komplexen Herausforderungen bei der Finanzierung ihrer exzellenten Bildungsangebote. Insbesondere sollten sie in ihrem Bemühen unterstützt werden, noch zugänglicher für talentierte Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Milieus in den Sitzländern zu werden.“
Weitere Forschung notwendig
Die Untersuchung zeigt, dass die Migrationsmuster der Absolventen abhängig von Hintergrund und Herkunft sehr unterschiedlich ausfallen. Hier besteht großer Bedarf an weiterer Forschung, um das Triple Win-Potenzial der Deutschen Auslandsschulen noch genauer zu bestimmen. Eine Folgeuntersuchung müsste daran ansetzen, nicht nur unter den Schulen, sondern auch unter den Absolventen weltweit repräsentative Ergebnisse zu erzielen. Künftig könnte ein regelmäßiges Bildungscontrolling helfen, besser zu verstehen, mit welchen Herausforderungen und Rahmenbedingungen die Schulträger vor Ort umgehen müssen. Weitere Forschungsvorhaben sollten zudem die Unterschiede zwischen deutschen und nichtdeutschen Absolventen in den Blick nehmen.
Hintergrund
Die Studie „Deutsche Schulen, Globale Bildung: Beitrag der Deutschen Auslandsschulen zum Triple Win“ wurde von der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Projekts „Integration und Bildung“ gefördert. Für die Studie wurden weltweit 908 Absolventen der Deutschen Auslandsschulen und 135 ehren- und hauptamtliche Führungskräfte an 96 Deutschen Auslandsschulen befragt. Ergänzend wurden qualitative Interviews und eine Auswertung relevanter Sekundärdaten durchgeführt. Fragestellung und Design der Untersuchung orientieren sich am Triple Win-Modell und dem Public Value-Ansatz. Das Triple Win-Modell postuliert eine faire Gestaltung von Fachkräftemigration, die einen dreifachen Gewinn ermöglicht – für die Fachkräfte, für deren Herkunftsländer und für Deutschland. Der Public Value-Ansatz stellt den gesellschaftlichen Wertbeitrag von Organisationen in den Mittelpunkt.