Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist ein relativ neues Konzept, das eine noch nicht hinreichend verstandene Qualität von Gesellschaften beschreibt, die diese robust, nachhaltig und lebenswert macht. In den letzten zwei Jahrzehnten hat es sowohl im akademischen als auch im politischen Diskurs zunehmende Beachtung gefunden. Die explizite oder implizite Annahme ist dabei oft, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt durch die Folgen von Modernisierung und Globalisierung geschwächt wird oder werden könnte. Daher wird sozialer Zusammenhalt von vielen Regierungen, supranationalen und internationalen Organisationen sowie von Nichtregierungsorganisationen, Think Tanks und anderen Akteuren der Zivilgesellschaft als wichtige politische Zielgröße angesehen.
Trotz dieses wachsenden Interesses wissen wir bislang nur wenig über die konkreten Bedingungen, die sozialen Zusammenhalt fördern oder schwächen, oder über seine unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen. Vor diesem Hintergrund hat die Bertelsmann Stiftung mit dem „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“ ein multidimensionales Messinstrument entwickelt, das unterschiedliche Aspekte von Zusammenhalt integriert. In diesem Kontext wird gesellschaftlicher Zusammenhalt als die Qualität des gemeinschaftlichen Miteinanders in einem territorial abgegrenzten Gemeinwesen verstanden. Eine Gesellschaft mit einem starken Zusammenhalt zeichnet sich durch drei Elemente aus: belastbare soziale Beziehungen, eine positive emotionale Verbundenheit der Gesellschaftsmitglieder mit dem Gemeinwesen sowie eine ausgeprägte Ausrichtung auf das Gemeinwohl.
In einer neuen Studie hat ein Expertenteam unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Boehnke (Jacobs Universität Bremen) und Prof. Dr. Jan Delhey (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) den Zustand des sozialen Zusammenhalts, die ihn prägenden Faktoren und seine Auswirkungen in westlichen und asiatischen Gesellschaften in vergleichender Perspektive untersucht. Die Ergebnisse wurden unter dem Titel “Social Cohesion and Its Correlates: A Comparison of Western and Asian Societies” in der renommierten Zeitschrift Comparative Sociology veröffentlicht. Die empirische Analyse basiert auf früheren Untersuchungen des "Radars gesellschaftlicher Zusammenhalt". Die Autoren führen in dem Aufsatz die Ergebnisse von zwei separaten Untersuchungen zu 34 westlichen und 22 asiatischen Gesellschaften zusammen und analysieren die Auswirkungen von ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Einflussfaktoren auf gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie den Zusammenhang zwischen Zusammenhalt und der Lebenszufriedenheit der Bevölkerung. Das Hauptziel der Studie bestand darin, sowohl "universelle" Einflussfaktoren und Auswirkungen des sozialen Zusammenhalts zu identifizieren, die in beiden Weltregionen ähnlich funktionieren, als auch "partikularistische" Wechselwirkungen zu finden, die in westlichen und asiatischen Gesellschaften unterschiedlich sind.