Bis zur landesweiten Einführung digitaler Patientendossiers in Frankreich war es ein langer Weg mit einigen Fehlversuchen. Der Fall zeigt, wie die Einrichtung zentraler Institutionen mit Koordinierungsfunktion die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben kann. Beim Vergleich des Digital-Health-Index weist Frankreich ein ähnliches Profil wie Deutschland auf.
Neben Deutschland und Schweden leistet sich Frankreich eines der teuersten Gesundheitssysteme in Europa. 2015 betrugen die staatlichen Gesundheitsausgaben 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Deutschland waren es 2016 11,3 Prozent. 79 Prozent der französischen Bürger haben Vertrauen in medizinische Einrichtungen. In Deutschland sind es dagegen 77 Prozent. Und auch beim Vergleich des Digital-Health-Index ähneln sich die beiden Länder sehr: Zwar geschieht einiges auf politischer Ebene - aber bei der tatsächlichen Nutzung von Daten scheiden beide Länder eher schlecht ab. In Sachen digitale Patientenakte ist Frankreich jedoch einen wesentlichen Schritt weiter als Deutschland: Im November 2018 wurde das „Dossier Medical Partagé“ (DMP) landesweit eingeführt.
Rahmenbedingungen und regulatorische Faktoren
Seit 2016 existiert die „Stratégie nationale e-health 2020“, die das DMP in den Mittelpunkt der zukunftsorientierten Gesundheitsversorgung stellt. Staatliche Institutionen sorgen als koordinierendes Organ für die Umsetzung der nationalen E-Health-Strategie. Die Regionen entscheiden hingegen selbständig, welche Dienste und Anwendungen implementiert werden.
Strategie
Die nationale E-Health-Strategie ruht auf vier Säulen:
- Ausbau und Entwicklung der digitalen Medizin durch Big-Data,
- Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren durch Living Labs,
- Abbau bürokratischer Hürden und Entwicklung einer digitalen Patientenplattform,
- Verbesserung der Sicherheit von Gesundheitsinformationssystemen.
Erfolgsfaktoren
Digital Health wird in Frankreich als fester Bestandteil der allgemeinen Gesundheitsversorgung gesehen - und nicht als „Add-On“. Interoperabilitätsstandards werden national einheitlich und rechtlich bindend definiert.
Anfänglich nur 160.000 Patientenakten in eineinhalb Jahren
Bereits 2004 legte die französische Regierung den Grundstein für die Entwicklung einer elektronischen Patientenakte. Doch erst im November 2018 erfolgte die landesweite Inbetriebnahme des „Dossier Médical Partagé“ (DMP). Es war nicht der erste Versuch: 2011 wurde das „Dossier Médical Personel“, wie die frühere Version hieß, erstmals nach einer langen Pilotphase eingeführt. Doch es stellte sich heraus, dass medizinisches Personal das DMP so gut wie nicht nutzte: Lediglich 160.000 Akten waren in den ersten eineinhalb Jahren erstellt worden - 90.000 davon blieben leer.
Bis zu dem Zeitpunkt beliefen sich die Kosten für das DMP bereits auf 210 Millionen Euro. 2012 stoppte die Regierung die Weiterentwicklung. Bis zu dem Zeitpunkt lag die Verwaltung des DMP in der Verantwortung der nationalen Digital-Health-Agentur ASIP Santé, die 2009 gegründet wurde. Nach einer vierjährigen Stagnationsphase führte der Erlass des Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems Anfang 2016 zu einem Neustart des DMP.
Koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Akteuren
Dafür ging die Hauptträgerschaft des DMP auf die nationale Krankenkasse CNAM über, während die ASIP Santé für die Entwicklung und Einhaltung von validierten Interoperabilitätsstandards ist. Zudem existiert ein weiteres koordinierendes Organ, das strategische Komitee für Digitale Gesundheit. Das CNS bringt Akteure und Vertreter der Industrie und des Gesundheitswesens sowie Patientenverbände und Politiker zusammen und ist für die Umsetzung der nationalen E-Health-Strategie zuständig.
Seit dem Neustart ist das DMP so angelegt, dass die gesamte Historie der Krankenkassenerstattungen eines Patienten beim Anlegen einer neuen Akte automatisch hineinfließt und so keine leeren Akten entstehen. Um ein erneutes Scheitern des DMP zu verhindern, liegt der Fokus bei der Weiterentwicklung auf der Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit.
Ziel des neuen DMP sei es, so die CNAM, das System „so einfach wie möglich zu machen“ und „den Versicherten die Hauptverantwortung über deren Akten zu übergeben“. Die ersten Ergebnisse der Pilotphase waren vielversprechend: Im April 2017 wurden wöchentlich 10.000 neue DMPs erstellt. Weitere Punkte auf der Agenda sind die Einführung von E-Rezepten und einer digitalen Gesundheitskarte sowie die Implementierung des nationalen Gesundheitsportals Sante.fr.
Weitere Informationen über den Digitalisierungsstand in Frankreich stehen unten als Download hier bereit.