Hände halten Tablet vor belgischem Hintergrund.
© gqxue, ohmega1982, smuki, tinyakov – stock.adobe.com

Belgien: Elektronischer Datenaustausch bei Notfällen

Eine klare Strategie, ausgeprägtes Finanzierungssystem und starke Institutionen: Belgien verfügt über gute Voraussetzungen für Digital Health. Dennoch hinkt Belgien beim Ausbau von E-Health-Anwendungen noch hinterher. Erfolgreich aber ist die Patientenkurzakte.

  • PDF

So wie Deutschland zählt Belgien nicht zu den Vorreitern der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Dennoch liegt das Land im Digital-Health-Index Ranking drei Plätze weiter vorne auf Rang 13. Der Vorsprung zu Deutschland zeigt sich in verschiedenen Bereichen. So verfügt Belgien beispielsweise schon seit 2013 über einen nationalen E-Rezept-Dienst. Inzwischen sind etwa 50 bis 75 Prozent aller ausgestellten Rezepte E-Rezepte, allerdings ist der Anschluss an den ambulanten Sektor bisher mangelhaft. Dafür nutzen mehr als 75 Prozent aller Ärzte in der ambulanten Versorgung elektronische Praxissysteme.

Seit 2002 existieren in Belgien zudem zertifizierte elektronische Patientenakten. Doch erst mit der Einführung der SumEHR (Summarised Electronic Healthcare Record) entstand ein national einheitlicher Standard: Alle individuellen Systeme müssen seither in der Lage sein, Patientendaten an die SumEHR zu übermitteln. Allerdings handelt es sich dabei um einen Basisdatensatz: Im Falle eines Notfalls können über diese Patientenkurzakten Allergie- und Medikationsdaten, Informationen über Operationen und Impfungen unabhängig vom Aufenthaltsort sektorenübergreifend für Ärzte verfügbar gemacht werden, sodass diese beispielsweise das richtige Antibiotikum wählen können. Eine nationale elektronische Patientenakte gibt es in Belgien dagegen bisher nicht.

Strategie

Belgiens Digital-Health-Strategie „Actieplan eGezondheit“ stellt den Patienten ins Zentrum und umfasst 20 Arbeitspakete, die zu mehr Entscheidungskompetenz und Empowerment des Patienten führen sollen. Zu diesen Paketen zählt die elektronische Patientenakte, der E-Rezept-Dienst, mHealth-Anwendungen sowie ein Gesundheitsinformationsportal sowie rechtlich bindende Implementierungspläne.

Rahmenbedingungen und regulatorische Faktoren

Zuständig für die Umsetzung und Evaluierung der E-Health-Strategie sind die belgische Agentur eHealth-platform sowie die Belgische Kommission für Gesundheitstelematik. Darüber hinaus hat das Versicherungsinstitut RIZIV/INAMI zusammen mit eHealth-platform Finanzpläne entwickelt, mit denen Digital-Health-Dienste von den Versicherungen regulär abgerechnet werden können. Das Institut untersteht dem Gesundheitsministerium. Auch die Implementierung der Anwendungen aus den verschiedenen Arbeitspaketen wird staatlich finanziert. Leistungserbringer, die sich nicht an den bindenden Zeitplan der Strategie halten, drohen Strafen.

Erfolgsfaktoren

Belgien verfügt über eine klar definierte E-Health-Strategie mit konkreten Arbeitspaketen. Konzeptionell ist sie stärker am Verbraucher als an technischen Fragestellungen orientiert. Eingebunden in die Entwicklung und Gestaltung sind alle Akteure, darunter auch private Unternehmen und insbesondere Endanwender der Digital-Health-Anwendungen, also Ärzteschaft und Öffentlichkeit. Hinter der Strategie steht zudem ein ausgeprägtes Finanzierungssystem mit starken Institutionen wie die eHealth-platform.

Weitere Informationen über den Digitalisierungsstand in Belgien stehen unten zum Download bereit.

Länderbericht Belgien

Publikation: #SmartHealthSystems: Auszug Belgien

Eine klare Strategie, ausgeprägtes Finanzierungssystem und starke Institutionen: Belgien verfügt über gute Voraussetzungen für Digital ...

Aus unserem Blog

15. Februar 2023 / Marion Grote Westrick: „Wie geht es Ihnen?“ – das Potenzial patientenberichteter Daten besser ausschöpfen

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland braucht eine stärkere Patienten- und Ergebnisorientierung. Denn oft genug wissen Ärzte- und Pflegeteams nicht, inwiefern die angestrebten Behandlungsziele bei ihren Patientinnen und Patienten kurz-, mittel- und langfristig eingetreten sind. Um zu erfahren, wie es den Erkrankten wirklich geht, spielen systematisch erhobene Patientenrückmeldungen zu Behandlungsergebnissen und -Prozessen – so genannte Patient-Reported Outcomes (PROs) und Patient-Reported Experiences (PREs) – eine zentrale Rolle. Sie vervollständigen die rein klinische Perspektive auf die Qualität der Gesundheitsversorgung.

28. Juni 2022 / Marion Grote Westrick: DiGA als Vorreiter patientenzentrierter Versorgung

Eine am Patientenwohl orientierte Gesundheitsversorgung sollte die Patientenperspektive systematisch einholen und einbeziehen. Doch gegenwärtig werden Patientinnen und Patienten noch nicht regelmäßig über die von ihnen wahrgenommenen Therapieergebnisse und -erfolge befragt. Für die Umsetzung solcher Befragungen gilt es nun, die Chancen der fortschreitenden Digitalisierung zu nutzen: Mit dem Einsatz von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) wäre es möglich, Patient-Reported Outcome Measures (PROM) schnell und strukturiert zu erfassen, auszuwerten und gezielt für die Verbesserung der laufenden Therapie zu nutzen.

11. April 2022 / Dr. Thomas Kostera: Lernendes Gesundheitssystem: Tech-Giganten als Bindeglied zwischen Versorgungsalltag und Forschung?

Tech-Giganten sind dank ihrer finanziellen Ressourcen in der Lage, Daten in großen Mengen zu erheben und zu analysieren. Das bringt für eine freie Forschung sowie für Gerechtigkeit und Solidarität große ethische Herausforderungen mit sich. Gelingt es aber, sie zu bewältigen, bieten die Aktivitäten der Großkonzerne ein enormes Potenzial, die Entwicklung eines innovativen Lernenden Gesundheitssystems voranzutreiben. In unserem Auftrag hat ein Team unter Leitung der Ethikerin Prof. Christiane Woopen die verschiedenen Perspektiven und möglichen Ansätze analysiert. 

16. März 2022 / Dr. Thomas Kostera: „Mich beschäftigt immer wieder die große Macht der Tech-Giganten“ – Christiane Woopen im Interview

In welchen Bereichen des Gesundheitswesens sind weltweit agierende Technologie-Konzerne aktiv? Wie kann der Einsatz ihrer Produkte und Dienstleistungen die Medizin verbessern?  Und welche Herausforderungen entstehen durch die Aktivitäten dieser Tech-Giganten? Unter Leitung der Ethikerin Prof. Christiane Woopen hat ihr Forschungsteam in unserem Auftrag eine breit angelegte Studie zu den Tech-Giganten im Gesundheitswesen erstellt. Im Interview erklärt Christiane Woopen, welche Auswirkungen die digitale Transformation aus ihrer Sicht hat. Mit Blick auf die verschiedenen Chancen und Risiken fordert die Ethikerin eine Positionierung der Politik und eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, welche Rolle die Tech-Giganten im Gesundheitssystem in Zukunft spielen sollen.