Der Symptom-Checker im Web, das digitale Diabetiker-Tagebuch, der Hörtest mit dem Smartphone – das Angebot an digitalen Gesundheits-Anwendungen für Patienten und Verbraucher wächst stetig. Weit mehr als 100.000 Gesundheits-Apps sollen inzwischen in den App-Stores zur Verfügung stehen. Dazu kommen unzählige Web-Angebote und Internetseiten. Die Bertelsmann Stiftung hat jetzt ein Klassifikationsverfahren für „Digital-Health-Anwendungen“ entwickelt und sieben Anwendungs-Typen abgeleitet. Das Ziel: eine Grundlage für die systematische Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken von Digital Health schaffen.
Gesundheits-Apps können Patienten in ihrer Rolle stärken
Das Angebot an Gesundheits-Apps wächst stetig. Im Web buhlen unzählige Gesundheits-Websites um die Aufmerksamkeit der Nutzer. Doch was verbirgt sich hinter dem Angebot, welche Relevanz hat es für die Gesundheitsversorgung? Die Bertelsmann Stiftung hat den Markt der digitalen Gesundheits-Anwendungen für Bürger systematisch analysiert und Thesen zum Status quo des Angebots abgeleitet.
„Bislang gibt es kaum Evidenz zur Relevanz und zum Nutzen von Gesundheits-Apps für die Gesundheitsversorgung“, sagt Uwe Schwenk, Programmdirektor bei der Bertelsmann Stiftung. Allerdings mache allein das wachsende Digital-Health-Angebot für Bürger deutlich, dass die Digitalisierung die Medizin verändere. „Es gibt zwei zentrale Treiber für die Entwicklung: den technischen Fortschritt und den kulturellen Wandel im Gesundheitswesen. Patienten werden aktiver und souveräner in ihrem Gesundheitshandeln und nutzen dafür digitale Angebote. Damit muss sich das System auseinandersetzen“, so Schwenk. Bevor man jedoch danach frage, was die echten Innovationen sind und wie man sie nutzbar machen kann, müsse man sich einen Überblick über das existierende Angebot verschaffen.
Die Studie der Stiftung beschreibt sieben Typen von Digital-Health-Anwendungen (siehe Infografik) und ihre jeweilige Funktion für den Bürger. Zum Typ „Analyse und Erkenntnis“ gehören etwa Anwendungen, die Gesundheitsdaten punktuell erfassen, unter dem Typ „Indirekte Intervention“ sind zum Beispiel Chroniker-Tagebücher oder Medikamenten-Reminder zusammengefasst. Basis ist ein umfassendes, speziell entwickeltes Klassifikationsverfahren, das auch anderen Akteuren künftig ermöglichen soll, den bislang intransparenten Markt der Anwendungen zu analysieren.
Potenziale bislang kaum genutzt
„Digital-Health-Anwendungen haben das Potenzial, Patienten in ihrer Rolle zu stärken und die Versorgung besser zu machen“, sagt Uwe Schwenk. Hierbei könne insbesondere das Smartphone in der Hand des Patienten zu einem wichtigen Werkzeug werden – ob durch Information, Austausch mit anderen oder ein verbessertes Selbstmanagement. Die Potenziale würden heute allerdings noch kaum genutzt, wenige relevante Anwendungen kommen in der Breite zum Einsatz. So habe die Studie etwa bestätigt, dass sich der Markt vor allem angebotsgetrieben entwickelt und ein Großteil der Angebote von privaten Anbietern aus dem Lifestyle- und Fitness-Bereich stammen. „Tatsächlich existierende Bedarfe in Prävention und Gesundheitsversorgung spielen noch eine untergeordnete Rolle“, so Schwenk. Und: „Bei weitem nicht alle Anwendungen sind aus Public-Health-Sicht relevant. Noch fehlen Verfahren, echte Innovationen zu identifizieren.“
Acht Thesen zum Status quo des Digital-Health-Angebots
Die Stiftung hat aus der Studie insgesamt acht Thesen zum Status quo des Digital-Health-Angebots für Bürger abgeleitet und in Form eines SPOTLIGHT GESUNDHEIT veröffentlicht. Daraus folgend regt sie an, die klassischen Akteure des Gesundheitssystems – also vor allem Ärzte und Krankenkassen – müssten selbst aktiv werden, um die Potenziale von „Gesundheits-Apps“ auszuschöpfen und Anwendungen mit echtem Patientennutzen zu etablieren. Sie spricht sich unter anderem dafür aus, die Versorgungsforschung mit Blick auf Nutzen und Risiken zu intensivieren und Verfahren zum Transfer von Innovationen in die Regelversorgung zu entwickeln. Dabei müsse die besondere Dynamik des digitalen Markts beachtet werden. Außerdem müsse die Markttransparenz für Bürger und Systemakteure erhöht werden.