Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft

Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft

Globalisierung, technologischer Fortschritt, demographischer Wandel und viele andere Faktoren haben das Umfeld für die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Das Projektmodul „Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft“ hat diese neue Ausgangslage und die neuen Rahmenbedingungen analysiert, aber auch die veränderten Ansprüche an eine deutsche Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik. Die zentrale Fragestellung war, wie eine zukunftsfähige Soziale Marktwirtschaft gestaltet werden sollte, um mit diesen Veränderungen angemessen umzugehen.

Beschreibung

Die Grundlage für das Projektmodul bildete eine einjährige Kooperation mit der jungen Denkfabrik „Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt“, die von Dr. Stefan Bergheim geleitet wird. Im Anschluss hat das Projektteam der Bertelsmann Stiftung auf Basis der gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse ein umfassendes Szenario der Sozialen Marktwirtschaft 2030 erstellt und Ziele, Prinzipien und Handlungsoptionen für eine Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert abgeleitet.

Das Projekt wurde unterstützt von der Heinz Nixdorf Stiftung.

Die Projektaktivitäten im Überblick

In einem mehrstufigen Prozess und mit Hilfe neuer, offener Kommunikationsmethoden wurden zunächst die veränderten Rahmenbedingungen identifiziert und dann institutionelle Veränderungen angeregt. Den Auftakt dazu bildete im Juni 2010 das dreitägige Treffen einer Kerngruppe von fünf jungen Wissenschaftlern aus den Disziplinen Volkswirtschaftslehre, Jura sowie Medien- und Kulturwissenschaften in der Nähe von Frankfurt. Begleitet von einer Moderatorin wurde im interdisziplinären Diskurs und mit Hilfe der U-Theorie von Otto Scharmer (MIT) ein Ideenraum mit vielen Denkansätzen zu den aktuellen Anforderungen an eine Soziale Marktwirtschaft in Deutschland erarbeitet.

In einem zweiten Schritt wurden qualitative, wertschätzende Interviews mit Politikern und Beamten aus Bundesministerien durchgeführt und ausgewertet. Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, wurde im dritten Schritt eine Gruppe von „Senior Experts“ aus der Zivilgesellschaft in den Prozess mit eingebunden. Die Wissenschaftler der Kerngruppe und die Senior Experts trafen sich im Oktober zu einer zweitägigen, moderierten Arbeitssitzung in der Nähe von Berlin. Der Abgleich der Ergebnisse dieser drei Gruppen aus Theorie, Politik und zivilgesellschaftlicher Praxis diente im Folgenden als Basis für konkrete Ableitung von Gestaltungsideen für eine zukunftsfähige Soziale Marktwirtschaft.

Parallel und ergänzend wurden in diesem Modul wissenschaftliche Papiere über Ziele und Institutionen bei den Gründervätern der Sozialen Marktwirtschaft und über heutige Ansätze in anderen Ländern verfasst. Damit soll sowohl die historische als auch die internationale Perspektive berücksichtigt werden, wenn über die zukünftige Ausrichtung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland nachgedacht wird.

Abschließend hat das Projektteam in der Bertelsmann Stiftung auf Basis der gesammelten Inhalte des Prozesses ihre Gestaltungsideen für eine zukunftsfähige Soziale Marktwirtschaft in Deutschland entwickelt. Die Ergebnisse liegen in Form eines ausführlichen Diskussionspapiers sowie als Kurzfassung („Policy Brief“) vor (siehe rechts unter Downloads). Begleitend hat das Meinungsforschungsinstitut infas im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zur Sozialen Marktwirtschaft durchgeführt.

Abschlusskonferenz

Am 7. April 2011 wurden in Berlin vor rund 100 geladenen Gästen die Gestaltungsideen für das "Zukunftsmodell Soziale Marktwirtschaft" vorgestellt und diese mit Wissenschaftlern und Praktikern diskutiert.

Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung, eröffnete die Veranstaltung mit einer Rede mit dem Fazit: Wir brauchen eine Soziale Marktwirtschaft 3.0, in der gleiche Bildungschancen, Integration, demographischer Wandel, Arbeitsmarkt, nachhaltiger Umgang mit Umwelt und Ressourcen und schließlich Bürgerbeteiligung – Jahresschwerpunkt der Stiftung – die zentralen Themen seien.

Im Anschluss sprach die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, über ihre Sicht auf eine zukunftsfähige Soziale Marktwirtschaft. Arbeitsmarktreformen, Sozialleistungen, Rente, Fachkräftemangel, Mindestlöhne und Frauenquoten standen im Mittelpunkt ihrer Ausführungen.

Als dritter Redner stellte Prof. Dr. Ulrich Witt, Direktor am Max-Planck-Institut für Ökonomik in Jena, die Frage: "Wie viel Wachstum braucht die Marktwirtschaft, um 'sozial' zu sein?" Seine Antwort: gar nicht so viel. Er schlug vor, die Vorsorgemotivation zu Lasten der Konsummotivation zu steigern, etwa durch die Einführung einer progressiv gestalteten Konsumsteuer.

Die anschließende Podiumsdiskussion wurde von einem Referat von Andreas Esche eingeleitet, der als projektverantwortlicher Direktor die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage vorstellte, die das Institut infas im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hatte. Anschließend ging er auf die vier Prinzipien ein, die das Projektteam als Ergänzung der "Euckenschen Prinzipien" der Sozialen Marktwirtschaft vorgeschlagen hatte, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen: soziale Inklusion, gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, Partizipation und Transparenz.

Unter der Leitung von Dr. Uwe Jean Heuser, Leiter des Wirtschaftsressorts bei der ZEIT, diskutierten Dr. Wulf Bernotat, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der E.ON AG, Dr. Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler a.D. der Republik Österreich, Prof. Dr. Gert G. Wagner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaft, und Klaus Wiesehügel, Bundesvorsitzender der IG Bau-Agrar-Umwelt. Die Diskussion, die in einem weiten Bogen viele Aspekte der Sozialen Marktwirtschaft streifte, kam dabei immer wieder auf die Leitthemen Haftung und Verantwortung, soziale Inklusion und Partizipation zurück.

Abgerundet wurde die Podiumsdiskussion von zwei externen Projektbeteiligten: Prof. Dr. Nils Goldschmidt, Ökonom und Theologe an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, und Friedrich Kiesinger, Gründer und Geschäftsführer der Pegasus GmbH für soziale und gesundheitliche Innovation. In der Schlussrunde stimmten die Diskussionsteilnehmer darin überein, dass durchlässige Systeme und soziale Aufstiegschancen ganz oben auf der Wunschliste für eine moderne Soziale Marktwirtschaft stünden.