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, Publikation: Deutschland braucht eine aktive Antidiskriminierungspolitik

Trotz der Bemühungen Deutschlands in den letzten Jahren eine Willkommenskultur zu etablieren, weist die Antidiskriminierungspolitik hierzulande große Lücken auf, ist nur unzureichend mit Ressourcen ausgestattet und macht es Betroffenen schwer, sich gegen Diskriminierung zu wehren.

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Das Wort Willkommenskultur erlebt seit einiger Zeit Konjunktur in Deutschland. Derzeit steht Willkommenskultur für die Aufnahme von Flüchtlingen sowie die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen, die Situation zügig, unkompliziert und menschlich zu bewältigen. Aber Willkommenskultur bedeutet eben nicht nur, Fremden Schutz bzw. Arbeitsmöglichkeiten im Land zu bieten, sondern zielt auf umfassende Integration und Teilhabe von Einwanderern, seien es bleibeberechtigte Flüchtlinge, Arbeitsmigranten im Rahmen der EU-Binnenmobilität oder aus Drittstaaten. Nur so können langfristige soziale Spannungen in einer Gesellschaft verhindert werden. Zum erfolgreichen Zusammenleben in einer Einwanderungsgesellschaft gehört auch der Schutz der Rechte jedes Einzelnen, die z.B. aufgrund von Vorurteilen oder Benachteiligungen gefährdet sein könnten. Dieser Schutz ermöglicht erst, dass aus Migranten selbstbewusste Staatsbürger werden, die die gemeinsamen Werte von Pluralität, Solidarität und Rechtsstaatlichkeit im Kleinen wie auch im Großen verteidigen. Deshalb braucht ein Einwanderungsland eine starke Antidiskriminierungspolitik.

Die international vergleichende Expertise „Antidiskriminierungspolitik in der deutschen Einwanderungsgesellschaft – Stand, Defizite, Empfehlungen“ des Büros für Recht und Wissenschaft im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zum  zeigt, dass  

 - die deutsche Antidiskriminierungspolitik Schutzlücken aufweist  

- es für Betroffene schwierig ist, sich gegen Diskriminierung zu wehren 

- im Unterschied zu Deutschland europäische und nordamerikanische Staaten große, von Migrationsbehörden unabhängige Equality Bodies (Gleichbehandlungsstellen) mit größeren Kompetenzen besitzen  

- dass die Antidiskriminierungspolitik in Deutschland über unzureichende Ressourcen verfügt: während dafür die USA 1,56 Euro pro Kopf, Großbritannien 69 Euro Cent, Kanada 56 Euro Cent oder Schweden 31 Euro Cent für institutionelle Antidiskriminierungspolitik ausgeben, investiert Deutschland bisher nur 4 Euro Cent.

Angesichts der wachsenden Bedeutung einer wirksamen Antidiskriminierungspolitik für den Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland, empfiehlt die Bertelsmann Stiftung eine stärkere präventive Ausrichtung und einen umfassenden Ausbau der Antidiskriminierungspolitik, insbesondere durch eine systematische Präventionsarbeit in Bildungseinrichtungen und einer Kompetenzausweitung der durchführenden Behörden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist auf kommunaler Ebene zu flankieren, der Schutz vor Diskriminierung auf alle Lebensbereiche auszuweiten und Betroffene sind bei der Wahrung ihrer Rechte zu unterstützen. Bewerbungsverfahren sind so zu regeln, dass Diskriminierung am Arbeitsmarkt erschwert wird. All diese Maßnahmen müssen auch zum Ziel haben, den Anteil von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst, in Wirtschaftsverbänden, politischen Parteien, Parlamenten und gesellschaftlichen Organisationen zu steigern.