Ende gut, alles gut? Viele Beobachter sind froh, dass das endlose Tauziehen um den Austritt vorüber ist. Ist das "Brexit-Drama" nun wirklich Geschichte?
Christian Kastrop: Im Gegenteil, in mancher Hinsicht geht es jetzt erst richtig los. Aber zunächst ändert sich nach dem 31. Januar für die EU und Großbritannien erstmal nichts. Wir befinden uns dann in einer Übergangsphase: Studenten und Touristen können weiter ohne Probleme nach Cambridge und London fliegen, Waren werden weiter ohne Zölle zwischen Calais und Dover transportiert.
Aber die nächsten Termine sollten in London und Brüssel schon rot in den Kalendern stehen: Bis zum 31. Dezember 2020 will die britische Regierung ein neues Freihandelsabkommen aushandeln, um den sogenannten "harten Brexit" zu vermeiden. Sollte die Zeit für Verhandlungen nicht ausreichen, müsste Großbritannien bis zum 1. Juli 2020 dafür eine Fristverlängerung einreichen. Boris Johnson hat aber bereits klargemacht, dass er dies um jeden Preis vermeiden möchte. Daher ist die Gefahr eines Brexits ohne Vertrag und klare Ansagen für die Wirtschaft noch lange nicht gebannt.
Dazu kommt: Die "Scheidung" hat rund drei Jahre gedauert, warum sollte sich der neue Beziehungsstatus in ein paar Monaten klären lassen? Wie die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich sehr klar gesagt hat, muss es einen fairen Ausgleich geben und die Positionen, auch mit Blick auf die irische Republik, sind noch weit auseinander. Daher werden die kommenden Verhandlungen zentral für unseren Beziehungsstatus zu Großbritannien.