Die Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2017 war deutlich höher als bei der letzten Wahl. Woran liegt das und welche Partei hat davon am meisten profitiert?
Die gestiegene Wahlbeteiligung ist zu einem großen Teil ein AfD-Effekt. Der AfD ist es offensichtlich als einziger Partei gelungen, auch in den typischen Nichtwählermilieus zu mobilisieren. Erste Analysen dazu zeigen, dass die AfD mindestens ein Viertel bis ein Drittel ihrer Stimmen aus dem Nichtwählerlager geholt hat.
Das ist vor allem deshalb interessant, weil die Wahlbeteiligung in Deutschland sozial tief gespalten ist: Je sozial prekärer die Milieustruktur in einem Wohnviertel ist, umso geringer ist die Wahlbeteiligung. Und umgekehrt gilt: Je höher der Anteil wirtschaftlich stärkerer Milieus ausfällt, umso höher ist die Wahlbeteiligung. Diese soziale Schere der Wahlbeteiligung hat sich seit mehr als zwei Jahrzehnten immer weiter geöffnet. Unsere Wahlergebnisse sind sozial nicht mehr repräsentativ. Daraus ist längst ein Teufelskreis geworden: Weil sich viele Menschen nicht vertreten fühlen, gehen sie nicht mehr zur Wahl, und weil sie sich nicht mehr beteiligen, werden ihre Interessen immer weniger vertreten.
Die Frage ist nun, ob die seit 2016 wieder steigende Wahlbeteiligung diesen Teufelskreis durchbricht, und die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung wieder verringert. Bei den letzten Landtagswahlen war das noch nicht der Fall. Das hat unsere Analyse zur NRW-Landtagswahl im Mai 2017 sehr deutlich gezeigt. Auch in NRW ist die Wahlbeteiligung zwar deutlich gestiegen. Die Mobilisierungserfolge der AfD in den sozial prekären Nichtwählermilieus wurden jedoch von den Gegenmobilisierungserfolgen der Wahlsieger CDU und FDP in ihren klassischen Wählermilieus übertroffen. Deshalb führte die steigende Wahlbeteiligung in NRW sogar zu einer leichten Verschärfung der sozialen Spaltung: Die Mobilisierungserfolge von CDU und FDP in den wirtschaftlich und sozial starken Wohnvierteln hat die Mobilisierungserfolge der AfD in den sozial prekären Nichtwählerhochburgen überkompensiert.
Auch für die Bundestagswahl stellt sich deshalb die Frage: Wie hat sich der AfD-Effekt auf die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung ausgewirkt? Vor allem das gleichzeitig schlechte Abschneiden der beiden etablierten Volksparteien lässt vermuten, dass bei der Bundestagswahl der AfD-Effekt der dominantere war. Die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung könnte sich bei der Bundestagswahl also verringert haben, aber das untersuchen wir gerade in einer bundesweiten Studie zur Wahlbeteiligung und zum Wahlverhalten der sozialen Milieus. Die Publikation unserer Ergebnisse dazu ist für kommende Woche geplant.