Luzia Braun, Daniel Kehlmann, Eva Menasse, Elke Büdenbender, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Liz Mohn, Sir Salman Rushdie und Aart de Geus beim 2. Forum Bellevue in Berlin am 30. November 2017

Forum Bellevue zur Meinungsfreiheit: Von Hofnarren und anderen Intellektuellen

Welchen Einfluss haben Intellektuelle und Literatur auf unsere Demokratie und wie ist es um die Meinungsfreiheit in unruhigen Zeiten bestellt? Über diese Fragen diskutierte Bundespräsident Steinmeier auf dem zweiten "Forum Bellevue" mit internationalen Gästen.

Foto Jörg Habich
Jörg Habich
Foto Barbara von Würzen
Barbara von Würzen

Gemeinsam mit Sir Salman Rushdie, der österreichischen Autorin Eva Menasse und dem deutschen Autoren Daniel Kehlmann diskutierte Bundespräsident Steinmeier auf dem zweiten Forum Bellevue über die "Freiheit des Denkens in unruhigen Zeiten". In der Diskussion ging es vor allem um die Rolle von Künstlern und Intellektuellen und die Bedeutung von Meinungsfreiheit und dem geschriebenen Wort für die Zukunft unserer Demokratie.

In seiner Eröffnungsrede verbeugte sich Frank-Walter Steinmeier vor der Leistung von Schriftstellern und Intellektuellen. Er zitierte Ralf Dahrendorf, der Intellektuelle einst als "Hofnarren der modernen Gesellschaft" bezeichnet hatte. Sie ließen sich nicht wie einst von ihrem "Schlossherrn" vereinnahmen, sondern seien stets um ihre Unabhängigkeit besorgt und unterliefen das Erwartbare immer wieder, so das Staatsoberhaupt. Aber, so machte der Bundespräsident schnell klar: Er werde sich hüten, die Rolle des Intellektuellen vom Katheder herab zu bestimmen. "Denn das ist es ja gerade, was unsere offenen Gesellschaften auszeichnet: Dass sie Literatur und Kunst nicht auf irgendwelche Ziele verpflichtet", so Steinmeier.

Rushdie: "Im Weißen Haus wäre so eine Debatte wie hier momentan nicht möglich"

Doch was macht die Rolle etwa von Autoren aus und welchen Einfluss haben sie auf die öffentliche Debatte? Zunächst sei es wichtig, dass es einen solchen Diskurs überhaupt gebe, kommentierte Salman Rushdie und ergänzte mit Blick auf die Situation in den USA: "Im Weißen Haus wäre so eine Debatte wie hier momentan gar nicht möglich." Darüber hinaus sei es entscheidend, dass sich Politik und Bevölkerung in einem öffentlichen Raum treffen und austauschen können, ergänzte Eva Menasse. Gleichzeitig kritisierte sie in diesem Zusammenhang die negativen Folgen für unsere Demokratie, die durch ein permanentes Grundrauschen aufgeregter Social-Media-Debatten und die Überforderung der Menschen durch den technologischen Wandel entstehen würden: "Wir werden von unseren eigenen Erfindungen gerade überholt", so Menasse. "Wir müssen lernen, mit der Zunahme an Verunsicherung und Desinformation umzugehen, die durch neue Medien auch beflügelt werden."

Dass diese Situation für ihn nicht neu sei, erläuterte Daniel Kehlmann, der die sprunghaft ansteigende Verbreitung von Druckerzeugnissen im 17. Jahrhundert und die Ausbreitung digitaler Medien heutzutage für vergleichbar hält. "Damals wie heute gab es plötzlich neue Medien", damals Druckschriften und Flugblätter, heute die unüberschaubare Anzahl an Posts und Tweets, "und die Menschen mussten sich erst daran gewöhnen, wie sie damit umgehen, wie sie Richtig von Falsch unterscheiden können." Dieser Umgang sei mit einem Lernprozess verbunden, den wir auch heute wieder durchliefen, so Kehlmann.

Steinmeier betonte die besondere Rolle von Autoren für unsere Demokratie

Ob Autoren überhaupt dazu aufgerufen werden sollten, sich in Politik und Gesellschaft einzumischen, wurde am Ende der Veranstaltung intensiv diskutiert. Salman Rushdie negierte die These, dass Schriftsteller explizit politische Romane schreiben müssten, um Kommentare auf unsere Zeit zu liefern. Er verwies auf Franz Kafka, der mit seinen Schriften wie "die Verwandlung" alles zu den damaligen Gesellschaftsverhältnissen gesagt habe, ohne Konkretes zu äußern. Eva Menasse unterstützte: "Schriftsteller sind kein Auskunftsbüro, sondern suchen sich einen eigenen Zugang zu Themen und lassen sich nicht in den Dienst von Vorstellungen oder Aufträgen stellen." Bundespräsident Steinmeier betonte gleichwohl die besondere Rolle von Autoren für die Gesellschaft und unsere Demokratie: "Literatur wirkt immer politisch, wenn gesellschaftliche Analysen in sie einfließen, wenn sie ein Portrait der Zeit zeichnet oder unsere gewohnte Sicht auf die Welt herausfordert."

Die Aufzeichnung der kompletten Veranstaltung finden Sie auf unserem YouTube-Kanal. Eine Zusammenfassung zeigt der Fernsehsender Phoenix am 3. Dezember, ab 17 Uhr.