Schilde, Helme und Beinschützer der Polizei lehnen an einer Wand in der Hauptstadt von Bangladesch, Dhaka.

Steht Bangladesch kurz vor einem Bürgerkrieg?

Politische und soziale Spannungen nehmen laut unserem aktuellen Transformationsindex BTI weltweit zu. Doch es gibt auch Lichtblicke. Wir nehmen in diesem Sommer einige im BTI untersuchte Länder genauer unter die Lupe. Zum Auftakt blicken wir nach Bangladesch, wo die politisch motivierte Gewalt mit dem Terroranschlag in Dhaka am 1. Juli einen neuen Höhepunkt erreicht hat.

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Text von Roma Rajpal Weiß. Die Inderin arbeitet als freie Journalistin und Bloggerin und lebt zurzeit in Bonn.

Die innenpolitischen Machtkämpfe der letzten Jahre tragen zum Teufelskreis der Gewalt in Bangladesch bei. Die beiden wichtigsten politischen Parteien blockieren sich seit den umstrittenen Wahlen des Jahres 2014 gegenseitig.

Die Eskalation begann, als Khaleda Zia, die Chefin der Bangladesh Nationalist Party (BNP), am 3. Januar 2015 am Verlassen ihres Büros gehindert wurde. Die BNP ist die größte Oppositionspartei des Landes. Zia rief für den 5. Januar zu Protesten auf. Ihre Partei nannte den Protesttag "Democracy Killing Day", um daran zu erinnern, dass der Sieg von Premierministerin Sheikh Hasina nach den umstrittenen Wahlen des Jahres 2014 genau ein Jahr zurück lag. Hasinas Partei, die Awami-Liga (AL), hatte einen Erdrutschsieg errungen, nachdem die BNP in Erwartung von Manipulationen den Urnengang boykottiert hatte.

Im Februar 2015 erklärte Human Rights Watch, der Teufelskreis der Gewalt, u.a. durch verheerende Brandbomben, folge weiterhin dem Muster, das die Organisation schon für das Vorjahr dokumentiert hatte. 2014 waren 500 Menschen bei Ausschreitungen im Zusammenhang mit den Wahlen zu Tode gekommen. Seit die Proteste 2015 gewalttätig wurden, hat es hunderte Verletzte und mindestens sechzig Todesopfer gegeben. Das jüngste Blutbad in der Holey Artisan Bakery in Dhaka am 1. Juli, bei dem 29 Menschen starben, scheint Befürchtungen zu bestätigen, wonach Bangladesch zum Zielland des internationalen Terrorismus geworden ist. ISIS hat sich zu dem Anschlag bekannt.

Der Krieg der Königinnen

Sheikh Hasina und Khaleda Zia werden "kämpfende Königinnen von Bangladesch" genannt. Beide kommen aus mächtigen Familien der politischen Elite und wechseln sich seit fast 22 Jahren im Amt der Regierungschefin ab. Hasinas Vater Sheikh Mujibur Rahman war der Staatsgründer und erste Präsident Bangladeschs. 1975 wurde er von einer Gruppe von Offizieren und Soldaten ermordet. 1981, nur wenige Jahre später, starb Hasinas Gatte Ziaur Rahman im Präsidentenamt durch ein Attentat. Gerüchten zufolge glauben beide Frauen, die Rivalin sei in die Ermordung ihres Vaters beziehungsweise Ehemanns verwickelt gewesen.

Der Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI), der den Prozess des Wandels zu Demokratie und Marktwirtschaft in 129 Entwicklungs- und Schwellenländern analysiert, hebt im Länderbericht zu Bangladesch hervor, dass der Konflikt die Institutionalisierung einer zivilgesellschaftlichen Kontrolle des Militärs behindert hat. Im Länderbericht heißt es: "Die Chefinnen der zivilen Regierung (Hasina und Zia) haben versucht, das Militär für ihre jeweiligen parteipolitischen Interessen zu instrumentalisieren. Beide Parteien wollten die Gunst des Militärs durch die Anschaffung von Militärgütern für die Landesverteidigung erkaufen. Zudem beteiligten sie die Armee an gewinnbringenden Geschäften. In den letzten Jahren hat sich dieser Trend verstärkt. (...) Eine dauerhafte Kontrolle gesellschaftlicher und politischer Institutionen über die Armee wird dadurch erschwert."

Die Fehde der beiden mächtigen Frauen um die politische Macht in Bangladesch ähnelt immer mehr dem Computerspiel "Game of Thrones". Die Leidtragenden sind die Bürger des Landes, denn nicht nationale Interessen bestimmen die Agenda, sondern der persönliche Zwist zwischen den beiden Frauen. Dagegen protestierten zum Beispiel Unternehmer, die in der Hauptstadt Dhaka zusammenkamen. Wie die Unternehmer erklärten, haben die Blockade des Verkehrswesens und die Streiks, zu denen Zia im Januar 2015 aufgerufen hatte, zu Verlusten in Höhe von zirka 10 Milliarden Dollar geführt. Das öffentliche Leben ist zum Erliegen gekommen, seit wütende Banden Molotovcocktails werfen und Busse anzünden, um die Blockade durchzusetzen.

Land ist von verantwortungsbewusster Regierungsführung weit entfernt

In dem Bestreben, die Ordnung im Land wieder herzustellen, unterdrückt die Regierung von Hasina die Opposition. Tausende Anhänger der BNP wurden inhaftiert, regierungskritische Medien verboten. Auf den Straßen gehen die Unruhen jedoch unvermindert weiter, und es gibt bereits hunderte Verletzte. Journalisten berichten, die Stationen der Krankenhäuser, in denen Brandwunden versorgt werden, seien überfüllt.

Laut dem Länderbericht des BTI zu Bangladesch müssen nun dringend Anstrengungen unternommen werden, um einen nationalen Konsens über Themen wie die ökonomischen Ziele des Landes, Regelungen für Regierungswechsel und eine Institutionalisierung demokratischer Praktiken zu erzielen.

Eine ernstzunehmende dritte Partei hat sich in der südasiatischen Nation nie entwickelt. Lange Zeit prägten dynastische Machtkämpfe die Politik des Landes. Sowohl Zia als auch Khaleda haben während ihrer Amtsperioden mehrmals versucht, ein politisches Machtmonopol zu erlangen, indem sie die andere Partei an den Rand drängten.

Bereits im BTI-Länderbericht 2014 sahen die Experten eine der größten Schwächen der politischen Parteien und der zivilen Verwaltung Bangladeschs in der Unfähigkeit, politische Ziele zu setzen und Strategien für Wandel zu entwickeln: "Politische Strategien werden in der Regel im Hinblick auf den nächsten Wahlsieg entwickelt. Die Prioritäten und Ziele sind deshalb kurzfristig."

Das Land ist seit langem reif für politischen Wandel, doch angesichts der Vergangenheit scheint es unwahrscheinlich, dass Zia und Hasina ihre persönlichen Animositäten überwinden und sich auf einen Dialog einlassen. Wahrscheinlicher ist, dass das Land noch weiter von einem demokratischen Kurs abkommt. Damit steigt die Gefahr eines Bürgerkrieges.