Soziale Gerechtigkeit in Deutschland steigt - mit Einschränkungen
Derweil hat Deutschland geschafft, was kaum einem anderen EU-Staat während der Krise seit 2008 gelungen ist: Die soziale Gerechtigkeit ist gestiegen. Das Land belegt nun Platz 7 unter den 28 EU-Staaten. Es verdankt dies vorrangig der robusten Entwicklung am Arbeitsmarkt, wie etwa der Verringerung der Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit. Der positive Trend drückt sich aber auch in Bereichen wie Bildung, Integration oder Gesundheit aus – wenngleich mit Einschränkungen: Die Quote frühzeitiger Schulabgänger ist gesunken, aber Deutschland liegt bei der Bildungsgerechtigkeit im EU-Vergleich nur auf Rang 14 – der Zusammenhang zwischen sozialem Hintergrund und Bildungserfolg ist hierzulande immer noch zu groß. Das Land verfügt zwar über eine gute medizinische Versorgung (Rang 10), dennoch können die Deutschen weniger gesunde Lebensjahre erwarten (Rang 23) als der durchschnittliche EU-Bürger.
Entsprechend sieht die Studie für Deutschland noch erhebliches Verbesserungspotential. Stiftungsvorstand Dr. Jörg Dräger verweist beispielhaft auf die noch immer bestehenden Herausforderungen am Arbeitsmarkt: "Die Verfestigung eines zweigeteilten Arbeitsmarktes ist kritisch. Deutschland sollte insbesondere die Übergänge von atypischer Beschäftigung zu Normalarbeitsverhältnissen erleichtern", so Dräger. Die Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns sei dabei ein erster korrektiver Schritt.
Eine grundlegende Erkenntnis der Vergleichsstudie für alle EU-Staaten sei, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zwar eine wichtige Voraussetzung, aber auch kein automatischer Garant für soziale Gerechtigkeit sei. Das Thema soziale Gerechtigkeit sollte daher nach Ansicht der Stiftung künftig deutlich stärker ins Zentrum der europäischen Politik rücken. Die EU dürfe nicht nur als Hüter wirtschaftlicher Stabilität wahrgenommen werden, sondern müsse auch die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit in den Blick nehmen. Für die Mitgliedstaaten wiederum müsse es noch mehr darauf ankommen, die richtigen Weichenstellungen zwischen Haushaltskonsolidierung und wichtigen Zukunftsinvestitionen vorzunehmen. Denn Investitionen in die Teilhabechancen sind nicht nur aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit sinnvoll. Sie sind auch für das Innovationspotential eines Landes unerlässlich.