Imam betet in einer Moschee

Die Wahrnehmung des Islams in Deutschland

Der Islam nimmt eine Sonderrolle unter den Religionsgemeinschaften in Deutschland ein. Über die Hälfte der Deutschen fühlt sich durch den Islam bedroht und ist der Meinung, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Keine andere Religion hat ein derart negatives Image in Deutschland. Muslime sind eine sehr heterogene Gruppe mit Wurzeln in vielen verschiedenen Ländern sowie mit unterschiedlichen religiösen Ausrichtungen und Sichtweisen. Insgesamt stehen sie der Mehrheitsbevölkerung offen gegenüber und akzeptieren universelle Grundwerte. Die viel beschworenen Parallelgesellschaften existieren faktisch nicht. Der Anteil an Muslimen mit radikalen Einstellungen ist verschwindend gering, und diese stehen genauso wenig für das Gros der Muslime, wie Rechtsextreme für die Mehrheit der Deutschen stehen. Dass Muslime für die Taten einer Minderheit unter Generalverdacht geraten, ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt Deutschlands eine bedenkliche Entwicklung und würdigt darüber hinaus auch nicht die weitreichenden Integrationsleistungen, die große Teile von ihnen bereits vollzogen haben. Das Ziel der Sonderauswertung des Religionsmonitors ist es, die genauen Hintergründe der starken Ablehnung des Islams zu untersuchen.

 

Islamfeindlichkeit ist ein »salonfähiger« Trend, der mit dem Salon-Antisemitismus des 19. Jahrhunderts vergleichbar ist.

Prof. Dr. Kai Hafez und Sabrina Schmidt

Welche Konsequenzen hat die Ablehnung der größten religiösen Minderheit in Deutschland für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Dies beantworten Prof. Dr. Kai Hafez und Sabrina Schmidt mit Hilfe der zwei zentralen Fragen der Studie: Wer genau fühlt sich eigentlich vom Islam bedroht? Sind es bestimmte gesellschaftliche Teilgruppen oder handelt es sich um ein flächendeckendes Phänomen? Und welche Faktoren können dazu beitragen, unbegründete Bedrohungsgefühle zu reduzieren und ein realistischeres Bild des Islams in Deutschland zu zeichnen?

 

Methode

Die Sonderauswertung zum Thema Islam in Deutschland basiert auf den Daten des Religionsmonitors 2013 und auf einer Sonderumfrage des Emnid Instituts im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Für den Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung wurden zwischen Oktober und Dezember 2012 14.000 Personen in 13 Ländern zu ihrer persönlichen Religiosität, ihren Werthaltungen und dem Verhältnis von Religion, Politik und Gesellschaft repräsentativ befragt. Die Befragung wurde vom Institut für angewandte Sozialforschung infas in Bonn durchgeführt. Es wurden Personen ab 16 Jahren in Deutschland und Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Kanada, Schweden, der Schweiz, Spanien, Südkorea, der Türkei sowie den USA befragt. Für die vorliegende Sonderauswertung wurden die Daten für Deutschland und die Türkei ausgewertet. In Deutschland wurde die Bevölkerungsstichprobe durch eine Stichprobe von Muslimen in Deutschland ergänzt. Auf Basis des Religionsmonitors wurde einerseits die Wahrnehmung des Islams in Deutschland und darauf einwirkende Einflussfaktoren differenziert analysiert. Andererseits wurden die Lebenswelten deutscher Muslime (N=322) untersucht und mit Muslimen in der Türkei (N=974) verglichen. Aufgrund der Glaubensunterschiede von Muslimen unterschiedlicher religiöser Ausrichtung (beispielsweise Sunniten, Aleviten, Shiiten) konzentrieren sich einige Auswertungen auf sunnitische Muslime, die sowohl in Deutschland (N=200) als auch in der Türkei (N=655) die große Mehrheit der Muslime stellen. Dies ist vor allem bei Analysen relevant, die den Einfluss der Glaubensintensität untersuchen, beispielsweise auf Wertvorstellungen. Aufgrund niedriger Fallzahlen konnten diese Analysen für die übrigen religiösen Orientierungen nicht vorgenommen werden. Im Rahmen der Emnid-Umfrage vom November 2014 wurden zentrale Fragen zur Islamwahrnehmung der deutschen Bevölkerung, die bereits im Religionsmonitor enthalten waren, neu erhoben. So konnten Veränderungen im Islambild zwischen 2012 und 2014 – auch vor dem Hintergrund aktueller politischer Ereignisse – erfasst werden. Zusätzlich wurden weitere Fragen zu Einstellungen gegenüber und zum Kontakt zu Muslimen eingebunden. Insgesamt sind die Antworten von 937 Befragten in die Auswertungen eingeflossen (nicht-muslimische deutsche Bevölkerung ab 16 Jahre).