Demonstration

Öffentliche Erklärung des Bündnis "Bildung für eine demokratische Gesellschaft"

In den vergangenen Wochen und Monaten haben Schülerinnen und Schüler aus vielen Ländern europaweit für Furore gesorgt. Freitags streiken sie für mehr und grundsätzlichen Klimaschutz. Das Bündnis „Bildung für eine demokratische Gesellschaft“ spricht in einer öffentlichen Erklärung die Jugendlichen direkt an und zieht Verbindungslinien von ihrem Engagement zu Fragen der politischen Bildung. Das Projekt „jungbewegt“ hat sich an diesem Prozess aktiv beteiligt und gehört zu den Erstunterzeichnern dieser Erklärung. Wir freuen uns, wenn Sie diese Erklärung in den sozialen Medien und anderen Kommunikationskanälen weiter verbreiten. 

Foto Sigrid Meinhold-Henschel
Sigrid Meinhold-Henschel
Senior Project Manager
Foto Gerd Placke
Dr. Gerd Placke
Senior Project Manager

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Liebe Aktive der Initiative „Fridays for Future“

Demokratie lebt vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger - gleich welchen Alters. Dabei gibt es immer Zeiten der Ruhe und Zeiten der Bewegung. Wir gratulieren Euch: Eure Demonstrationen schaffen notwendige Unruhe und sind die Größten seit langem. Eure Bewegung findet nicht nur in vielen Ländern Anklang und Verstärkung, sondern verschafft sich auch Aufmerksamkeit und Respekt bei Regierungen, in der Wirtschaft und in den Medien.

Ihr habt Euch den Namen: „Fridays for Future“ gegeben. Diese Bewegung wird von einer neuen Generation junger Menschen getragen. Ihr tragt Eure Sorge um den Planeten und den Unmut über politisch Verantwortliche auf die Straße. Dabei scheint uns das Besondere Eures Protestes zu sein, dass es nach Eurer Überzeugung nicht länger nur um gemäßigte Reformschritte, sondern um radikale Veränderung zur Rettung der Welt geht. Dies findet auch große Unterstützung in der Wissenschaft. Für die „Scientists for Future“ (https://www.scientists4future.org/) ist Eure Sorge vollkommen nachvollziehbar: Schließlich müsst Ihr in der Welt überleben, die wir Ältere Euch überlassen.

Zur Initiatorin und Symbolfigur des klimapolitischen Protests wurde Greta Thunberg. Ihr und Euer freitäglicher Schulstreik hat massenhafte Nachahmung gefunden, in der politischen Öffentlichkeit jedoch auch kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Neue Bewegungen vertragen sich oft nicht mit Regeln und Traditionen. Die Reaktionen sind von Schule zu Schule, von Land zu Land ganz unterschiedlich.

Ihr steht für eine junge, verantwortungsvolle Generation. Aus unserer Sicht betreibt Ihr jeden Freitag Bildung für eine demokratische Gesellschaft. Damit verbinden sich politische Aspekte, an denen auch wir Erwachsene lernen können. Drei wichtige seien hier genannt.

Erstens. Zu den demokratischen Tugenden zählt, manchmal auch persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen, zum Beispiel eine Bestrafung für das Fernbleiben vom Unterricht. Ihr geht dieses Risiko ein und werdet dadurch zum Vorbild. Eine Initiative zunächst weniger Menschen wird zu einer sozialen Bewegung. Das zeigt, dass man politisch etwas in Gang bringen kann.

Zweitens: Euer Handeln ist zutiefst rational. Es speist sich aus einer pragmatischen Einsicht in die Unverantwortbarkeit des Umgangs mit dem Planeten. Sie argumentiert mit Fakten und führt die unbedingte Priorität ökonomischer Ziele ad absurdum. Sie bekennt Farbe – auch wenn viele andere gedankenlos weitermachen wollen.

Drittens: Ihr zeigt den Weg von der Angst zum Handeln. Ihr liefert den Beweis, dass Emotion und Vernunft keine Gegensätze sein müssen. Eure Bewegung ist ein humanes Gegenmodell zu einer Geht-Nicht-Politik. Die Sorge um die Zukunft des Planeten ist menschenfreundlich und schließt alle mit ein.

Wir freuen uns, dass viele Schulen Euer demokratisches Engagement für die Erde für höherrangig halten als den eigenen Stundenplan. Es ist gut, dass auch Lehrerinnen und Lehrer nicht nur den eigenen Stundenplan sehen und nach Kompromissen zwischen dem Demonstrationsrecht und der Schulpflicht suchen. Bildung für eine demokratische Gesellschaft bedeutet auch, das demokratische Engagement im öffentlichen Raum als eine der kostbarsten Lerngelegenheiten anzuerkennen.

Wir hoffen, dass Ihr den Ausgleich von Schulstunden möglichst kreativ mit Gleichaltrigen, Schulleitungen, Lehrern und Eltern hinbekommt: Durch gemeinsame Diskussionen, durch Arbeitsgruppen, durch Aktivitäten, die die Thematiken der Proteste aufgreifen.

Eingestehen müssen wir Ältere, dass viele von uns Euch unterschätzt haben. Ihr habt in der Vergangenheit oft genug Einschätzungen anhören müssen, dass Ihr nicht politisch genug seid. Jetzt stellt es sich ganz anders dar. Euer Aufbruch sollte Anlass sein, grundsätzlicher nachzudenken und über neue Wege in der politischen Bildung zu diskutieren.

Euer Weg spricht für sich. Wir wünschen Euch weiterhin gute Ideen, Kraft zum Durchhalten und natürlich ganz viel Erfolg. Wir bieten Euch unsere Unterstützung an.

 Unterzeichner (Stand 11. April 2019)

  • Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik e. V.
  • Projekt „jungbewegt“ der Bertelsmann Stiftung
  • Makista e. V.
  • Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung e. V.
  • Bundesverband der Freien Alternativschulen e. V. (BFAS)
  • Deutsches Kinderhilfswerk e. V.
  • Förderverein Demokratisch Handeln e. V.
  • Ganztagsschulverband e. V.
  • Initiative Schule im Aufbruch gGmbH
  • Internationaler Bund (IB)
  • Pestalozzi Fröbel Haus, Berlin
  • Stiftung Bildung
  • Stuhlkreis_revolte
  • Verband muslimischer Lehrkräfte e. V.
  • Zukunftsstiftung Bildung der GSL Treuhand

Gegenwärtig wird dieser Text durch Medienverteiler in Umlauf gebracht. Deswegen ist die Liste der Unterzeichner noch nicht abgeschlossen.