Hinter einem Stacheldrahtzaun sind aufgestapelte Frachtcontainer zu sehen.

Versteckter Protektionismus senkt deutsche Exporte um 43 Milliarden Euro

Versteckter Protektionismus in Form von nichttarifären Handelshemmnissen (NTHs) könnte die deutschen Exporte 2015 um mindestens 43 Milliarden US-Dollar, die deutschen Importe um mindestens 34 Milliarden US-Dollar verringert haben. Weltweit könnten NTHs für 16 Prozent des ausbleibenden Handels von 2015 verantwortlich sein.

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Dr. Cora Francisca Jungbluth
Senior Expert China and Asia-Pacific

Vom 10. bis 13. Dezember 2017 tagt die Ministerialkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) in Buenos Aires. Den Ergebnissen vergangener WTO-Treffen ist es zu verdanken, dass die Bedeutung von Zöllen als tarifäre Handelsbarrieren in den letzten Jahrzehnten nachgelassen hat. Für die Entwicklung des Welthandels war das sehr positiv.

Gleichzeitig greifen jedoch mehr und mehr Länder auf sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse (NTHs) zurück. NTHs sind vielfältig und reichen von mengenmäßigen Beschränkungen der zulässigen Importe über besondere technologische Anforderungen bis hin zu staatlichen Subventionen für heimische Unternehmen. Der Trend zu NTHs hat insbesondere seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 stark zugenommen. Das sind die Ergebnisse einer Studie, für die das Ifo Institut in unserem Auftrag die Auswirkungen nichttarifärer Handelshemnisse auf den internationalen Handel analysiert und berechnet hat.

„Nichttarifäre Handelshemnisse wirken wie versteckter Protektionismus, da sie genau wie Zölle, eine dämpfende Wirkung auf den Welthandel und damit auf den Wohlstand der beteiligten Länder haben können. Tatsächlich ist die Entwicklung des globalen Handels in den letzten Jahren zum Teil hinter den Erwartungen zurück geblieben“, erklärt unsere Wirtschaftsexpertin Cora Jungbluth.

Nichttarifäre Hemmnisse könnten Welthandel um 512 Milliarden US-Dollar senken

Laut den Berechnungen des Ifo Instituts, die der Studie zugrunde liegen, führt die Einführung mindestens eines NTH im Durchschnitt aller Länder und Produkte dazu, dass die Importe zwischen den betroffenen Ländern (also dem Land, das die Maßnahme ergreift, und dem Land, dessen Exporte in das ergreifende Land betroffen werden) um bis zu 12 Prozent zurückgehen. Dies gilt für den Beobachtungszeitraum von 2010 bis 2015. Je nach Sektor können diese Effekte allerdings unterschiedlich hoch ausfallen (Rohstoffsektor: bis zu minus 26 Prozent; Konsum- beziehungsweise Verbrauchgüter: bis zu minus 10 Prozent). 

Diese Effekte lassen sich auf den von NTHs betroffenen Welthandel, definiert als die Summe aller weltweiten Importe, übertragen. Daraus ergeben sich folgende Schätzwerte: Wegen der zwischen 2005 und 2015 weltweit neu eingeführten NTHs fiel das gesamte Importvolumen weltweit 2015 um etwa 3,1 Prozent beziehungsweise rund 512 Milliarden US-Dollar geringer aus. Dies entspricht etwa 16 Prozent des ausbleibenden Welthandels im Jahr 2015, den die Weltbank auf 3,2 Billionen US-Dollar geschätzt hat.

 „Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Effekte nichttarifärer Handelshemmnisse auf den internationalen Handel methodisch wesentlich schwieriger zu erfassen sind als Zolleffekte. Denn NTHs sind sehr unterschiedlicher Natur und wirken daher auch unterschiedlich stark. So hat beispielsweise eine neu eingeführte Dokumentationspflicht bezüglich der technischen Qualitätsanforderungen an einen importierten Rasierapparat andere volkswirtschaftliche Auswirkungen als eine mengenmäßige Beschränkung der erlaubten Automobilimporte auf nur noch 70 Prozent des Importvolumens des Vorjahres“, erläutert unser Wirtschaftsexperte Thieß Petersen. Die hier beschriebenen Effekte von NTHs auf den internationalen Handel sind daher nur eine grobe Annäherung an die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen dieser handelsbeschränkenden Maßnahmen.

Exporteinbußen von mindestens 43 Milliarden US-Dollar für Deutschland

Für Deutschland bedeuten unsere Schätzungen, dass die deutschen Exporte im Jahr 2015 rund 43 Milliarden US-Dollar höher hätten ausfallen können als sie es tatsächlich waren, hätte es die zwischen 2010 und 2015 neu eingeführten NTHs nicht gegeben. Dieses Volumen entspricht rund 1,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) des Jahres 2015. Die deutschen Importe wären rund 34 Milliarden US-Dollar höher gewesen. Das sind rund 0,9 Prozent des deutschen BIP des Jahres 2015.

Es ist zu betonen, dass die dargestellten Werte für Deutschland konservative Schätzungen darstellen, da deutsche Firmen im weltweiten Vergleich aufgrund der hohen Exportaktivität öfter mit NTHs konfrontiert sind. Absolut betrachtet sind die durch NTHs verursachten Exporteinbußen nur in den USA und China mit etwa 49 beziehungsweise 73 Milliarden US-Dollar größer als in Deutschland.

Nichttarifäre Handelshemmnisse sollten Fokus multilateraler Verhandlungen sein

Da die Verhandlungsrunden innerhalb der Welthandelsorganisation ins Stocken geraten sind, sind bilaterale Freihandelsabkommen (FHA) eine Möglichkeit, NTHs zu reduzieren und den Handel zwischen Ländern und Regionen anzukurbeln. Die Abschaffung von NTHs spielt in vielen Verhandlungen eine wichtige Rolle. Hierbei handelt es sich aus handelspolitischer Perspektive um eine positive Entwicklung. „In Zukunft wäre es jedoch wünschenswert, die Behandlung von NTHs – analog zu den Zollsenkungsrunden – wieder unter dem multilateralen Dach der WTO durchzuführen. Langfristiges Ziel sollten weiterhin weltweit einheitliche Regelungen sein, um faire Rahmenbedingungen für den internationalen Handel zu schaffen“, so Cora Jungbluth.