Arzt zeigt mit Finger auf Tablet

Förderprogramme nicht auf Bedarf von Digital-Health-Anwendungen zugeschnitten

Die Zahl der Gesundheits-Apps und Webanwendungen für Patienten wächst dynamisch. Jedoch gibt es noch sehr wenige Anwendungen „auf Rezept“. Verschiedene Hürden erschweren den Transfer in den Versorgungsalltag. Unsere Analyse zeigt: Die bestehenden Programme der Innovationsförderung sind noch nicht geeignet, diese Hürden systematisch abzubauen.

Sowohl die bestehenden Wirtschaftsförderungsprogramme für Technologie als auch der Innovationsfonds als Förderprogramm im Gesundheitswesen sind bislang nur unzureichend auf die Bedarfe der Anbieter von Digital-Health-Anwendungen zugeschnitten. Das geht aus einer Analyse hervor, die der Digital-Health-Experte Karsten Knöppler mit seinem Team im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vorgenommen hat. Die Stiftung schlägt die Einrichtung eines speziellen Förderprogramms für Studien zum Nutzennachweis der Anwendungen vor.

Die Analyse ist Teil einer größeren Untersuchung zum „Transfer von Digital-Health-Anwendungen in den Versorgungsalltag“. Dieser zufolge gelingt es dem Gesundheitssystem noch nicht, systematisch innovative Digital-Health-Anwendungen zu identifizieren und in die Gesundheitsversorgung zu überführen. Dem Innovationstransfer stehen verschiedene Hürden entgegen, etwa der fehlende spezifische Standard für den Nutzennachweis und die mangelnde Evidenz für die Wirksamkeit, die Unsicherheit über mögliche Finanzierungswege oder die Regelungsvielfalt der Medizinproduktezertifizierung.

Hürden beim Innovationstransfer durch gezielte Förderung abbauen

Durch den gehemmten Innovationstransfer würden die Potenziale der Anwendungen für Qualität und Effizienz der Versorgung und das Gesundheitshandeln der Patienten nicht ausgeschöpft, so Timo Thranberend, Projektleiter bei der Bertelsmann Stiftung. „Zudem wenden sich viele Anbieter ausländischen Märkten zu. Sowohl aus gesundheitspolitscher als auch aus standortpolitischer Sicht sollten die bestehenden Hürden gezielt abgebaut werden. Das gelingt durch angepasste und verbesserte Verfahren des Marktzugangs, aber auch durch Fördermaßnahmen, die auf den Abbau der Hürden zugeschnitten sind.“

In der aktuellen Analyse wurden exemplarisch sieben relevante Programme der Wirtschaftsförderung untersucht, zum Beispiel verschiedene Landesprogramme und der High-Tech-Gründerfonds. Diese Programme ermöglichen zwar eine Förderung von Digital Health, das Thema ist allerdings nicht spezifisch adressiert. Zudem stellen sie jeweils relativ hohe Anforderungen an das Marktpotenzial und die wirtschaftliche Entwicklung. Die Anforderungen kollidieren wiederum mit den schwer kalkulierbaren Risiken des Zugangs zum sogenannten ersten Gesundheitsmarkt. Zudem hemmen sie die Entwicklung von Produkten für kleinere Zielgruppen mit selteneren Erkrankungen. Hinzu kommt: Die Fördermittel könnten zwar zum Beispiel zur Beratung beim Thema Medizinproduktezertifizierung genutzt werden, jedoch sind klinische Studien zum Nutzennachweis zumeist nicht förderfähig.

In unserem Projektblog stellen wir ausgewählte Aspekte der Expertise vor, teilweise begleitet vom Studienautor und weiteren Experten.

Innovationsfonds fördert eher traditionelle Unternehmen

Der ebenfalls untersuchte Innovationsfonds fördert laut Studienleiter Karsten Knöppler eher das, was traditionelle Unternehmen unter Innovation verstehen. „Für Start-ups, häufig Anbieter von Digital-Health-Anwendungen, ist eine Förderung als Hauptantragssteller kaum realisierbar.“ Problematisch für die jungen Unternehmen sei die explizite Begrenzung von Digital Health auf eine Förderwelle, das kleine Zeitfenster für die Einreichung, der hohe Aufwand für die Bewerbung sowie der Ausschluss bereits geförderter Projekte. Zudem schließt der Innovationsfonds explizit produktbezogene Forschung und Entwicklung aus. Obwohl es sich bei Digital-Health-Anwendungen häufig um Prozessinnovationen handelt, würden diese wegen ihrer Umsetzung in Form von Software im Allgemeinen als Produkt betrachtet, so Knöppler.

Vorschlag für spezifisches Förderprogramm zum Nutzennachweis

Die Stiftung regt auf Basis der Analyse unter anderem an, dass sich Start-ups in einer frühen Entwicklungsphase über ihren Förderbedarf bewusst werden und Fördermöglichkeiten ausloten. Zudem sollte das Thema Digitalisierung nicht als separater Schwerpunkt, sondern als Voraussetzung in den Anforderungskatalogen von Förderprogrammen, etwa im Innovationsfonds, aufgegriffen werden.

Zentrale Ableitung der Stiftung ist der Vorschlag zur Einrichtung eines spezifischen Förderprogramms für Studien zum Nutzennachweis von Digital-Health-Anwendungen. Die Förderung sollte sich insbesondere an Anbieter von Anwendungen für akut und chronisch Kranke richten und vor allem für Start-ups verfügbar sein, die aktuell in kleinen Teams mit kurzen Entwicklungszyklen arbeiten. Die Evaluation der Wirkung sollte nach einem standardisierten und für das Feld praktikablen Standard erfolgen. „Der Nutzennachweis ist bislang eine der größten Hürden für den Innovationstransfer. Für viele Digital-Health-Anwendungen fehlt die Evidenz. In Folge eines solchen Programms könnte diese deutlich schneller zur Verfügung stehen“, sagt Timo Thranberend. Zudem würde durch die Einrichtung des Programms dem Forschungsstandort Deutschland in diesem Feld kurzfristig zu mehr Aktivität und Erfahrung verholfen.

Weitere Informationen und detaillierte Empfehlungen für das Förderprogramm zum Nutznachweis finden sich im Bericht zur Analyse zum Download auf dieser Seite.