Living Wages in Form freiwillig zahlbarer Löhne, welche oberhalb des gesetzlich bindenden Mindestlohns liegen, gibt es bereits, z. B. in Großbritannien. Sie sollen den Lohn widerspiegeln, welcher nicht nur ein Leben am Existenzminimum garantiert, sondern darüber hinaus die Lebenshaltungskosten der Bürger:innen (regional) angemessen abdeckt und Teilhabe in der Gesellschaft ermöglicht. Vor dem Hintergrund des großen Niedriglohnsektors, einer großen Anzahl von Aufstocker:innen sowie hoher Mietpreise vor allem in Ballungszentren könnte dieses Instrument auch für Deutschland interessant sein.
Die Betrachtung der Bedarfe in Deutschland zeigt, dass sie zwischen den Haushaltstypen sehr variieren und in einigen Fällen auch der neue Mindestlohn von 12 Euro alleine nicht ausreichen wird, um die Lebenshaltungskosten tatsächlich zu decken (siehe Abbildung). Während für in Vollzeit tätige Singles und Paare ohne Kinder ein relativ niedriger Stundenlohn bereits ausreicht, um ihre Ausgaben zu decken, benötigen Haushalte mit Kindern mehr, vor allem wenn nicht beide Elternteile in Vollzeit erwerbstätig sind. Besonders Alleinerziehende, welche die Erwerbsarbeit sowie die Kindespflege allein unter einen Hut bringen müssen, haben einen hohen Bedarf: Mit einem Kind und einer Tätigkeit in Vollzeit reicht der benötigte Stundenlohn für sie in den Untersuchungen bis zu 15,30 Euro brutto (bei Erweiterung der Referenzgruppe). Der neue Mindestlohn von 12 Euro wird somit zumindest für die Gruppe der Alleinerziehenden nicht ausreichen, um ihre Lebenshaltungskosten ohne weitere Unterhaltshilfen zu bestreiten.