Den Grundschulen in Deutschland gehen die Musiklehrer aus. Dies ist das Ergebnis einer vom Deutschem Musikrat, der Konferenz der Landesmusikräte und uns gemeinsam beauftragten bundesweiten Erhebung, die erstmals belastbare Zahlen zur Situation des Musikunterrichts auf Länderebene liefert. Demnach gibt es in den 14 Bundesländern, deren Daten für die Auswertung herangezogen werden konnten, einen Bestand von rund 17.000 Musiklehrerinnen und -lehrern. Um den in den Lehrplänen der Länder vorgegebenen Umfang an Musikunterricht fachgerecht abzudecken, würden rechnerisch jedoch ca. 40.000 Musiklehrkräfte benötigt. Im Ergebnis fehlen in den 14 untersuchten Ländern rund 23.000 grundständig ausgebildete Musikpädagogen. Dies führt dazu, dass lediglich 43 Prozent des von den Ländern vorgeschriebenen Unterrichts von grundständig ausgebildeten Musiklehrkräften erteilt wird.
An deutschen Grundschulen fehlen 23.000 ausgebildete Musiklehrer – Tendenz steigend
Viele Schulkinder haben keine hinreichende Chance auf musikalische Bildung in der Grundschule, weil Musik zu selten unterrichtet wird und zu oft von nicht dafür ausgebildeten Lehrkräften. Das zeigt die erste bundesweite Auswertung von Daten zum Musikunterricht in Deutschland. Der in den nächsten Jahren weiter zunehmende Musiklehrermangel erfordert Gegenmaßnahmen.
Werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen, stiege der Mangel an grundständig ausgebildeten Musiklehrkräften für die Grundschule weiter an, da in den kommenden acht Jahren sich die Lücke auf voraussichtlich rund 25.000 Lehrerinnen und Lehrer vergrößert. Die wachsende Kluft entsteht einerseits dadurch, dass altersbedingt mehr Musiklehrkräfte den Schuldienst verlassen als Nachwuchskräfte nachrücken. Zum anderen nimmt der Bedarf an Lehrkräften infolge der steigenden Zahl von Grundschulkindern weiter zu. Die aktuelle Situation in den Bundesländern stellt sich dabei sehr unterschiedlich dar.
Finden Sie hier in unserer interaktiven Karte die genauen Daten zu jedem Bundesland.
Faire Chancen für alle Kinder
Ohne ein ausreichendes Angebot an Musikunterricht in der Grundschule bekommen vor allem sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler kaum Chancen, mit Musik in Kontakt zu kommen. Dazu sagt unsere stellvertretende Vorstandsvorsitzende Liz Mohn:
"Musikalische Bildung besitzt damit einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Persönlichkeitsentwicklung. Die Grundschule erreicht als einzige Schulform alle Kinder und ist für viele von ihnen der einzige Ort, an dem sie einen uneingeschränkten Zugang zur Musik erhalten."
Mögliche Maßnahmen gegen den Musiklehrermangel
Angesichts des bereits hohen Ausmaßes an fachfremd erteiltem Unterricht und Unterrichtsausfall ist es dringend erforderlich, dass Landesregierungen, Schulbehörden und Hochschulen gleichermaßen aktiv werden und entschlossen handeln. Ausgehend von den Ergebnissen der Untersuchung empfehlen sich folgende Ansatzpunkte für Maßnahmen: bedarfsgerechter Ausbau der Studienkapazitäten, Erhöhung des Stundenanteils, mit dem ausgebildete Musiklehrkräfte das Fach Musik unterrichten sowie, für eine Übergangsphase, die Gewinnung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern nach verbindlichen Standards. Damit eine Versorgung mit qualifizierten Musiklehrkräften künftig sichergestellt werden kann, braucht es außerdem ein deutschlandweit konsistentes Monitoring unter dem Dach der Kultusministerkonferenz.
Über den Deutschen Musikrat
Der Deutsche Musikrat (DMR) ist der Dachverband des Musiklebens in Deutschland. Er repräsentiert die Interessen von rund 14 Millionen Menschen aus dem professionellen Musikleben und dem Amateurmusizieren und steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Mit über 100 Mitgliedsverbänden, -institutionen und seiner langfristig angelegten Projektarbeit wirkt er als Ratgeber und Kompetenzzentrum für Politik und Gesellschaft. Weitere Informationen: www.musikrat.de
Über die Konferenz der Landesmusikräte
Die Konferenz der Landesmusikräte vereint alle 16 Präsidenten und Geschäftsführer bzw. Generalsekretäre der Landesmusikräte in den Bundesländern. Sie bezieht Stellung zu musikpolitischen Fragen und bereitet gemeinsam mehrstufige Wettbewerbe und Projekte wie Jugend musiziert und den Deutschen Chor- und Orchesterwettbewerb vor. Jährlich legt sie ein "Instrument des Jahres" fest, dem besondere Aufmerksamkeit in Veranstaltungen und Veröffentlichungen gilt.
Hintergrundinfos
Für die Studie "Musikunterricht in der Grundschule – Aktuelle Situation und Perspektive" haben die Professoren Andreas Lehmann-Wermser, Direktor des Instituts für Musikpädagogische Forschung der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, Horst Weishaupt, ehem. Forschungsdirektor am DIPF (jetzt: Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation) sowie Ute Konrad, Mitarbeiterin am IMPF der HfMTH Hannover im Auftrag des Deutschen Musikrats, der Konferenz der Landesmusikräte und der Bertelsmann Stiftung Daten zum Status quo des Musikunterrichts an deutschen Grundschulen analysiert und eine Abschätzung der weiteren Entwicklung in den nächsten acht Jahren vorgenommen. Bei der Erhebung und Auswertung der Daten haben die Projektpartner eng mit den Kultusministerien der Länder sowie der Kultusministerkonferenz zusammengearbeitet. Die Ergebnisse der Studie basieren, wenn nicht anders angegeben, auf von den Ländern auf Anfrage zur Verfügung gestellten Daten für das Schuljahr 2016/17. Abweichend davon stellten die Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen Daten für das Schuljahr 2017/18 bereit; die von Hamburg gelieferten Daten beziehen sich auf das Schuljahr 2018/19. Bayern, das Saarland und Niedersachsen haben keine Daten zur Verfügung gestellt. Ergänzend wurde auf Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes, der Kultusministerkonferenz und auf veröffentlichte statistische Daten auf Länderebene zurückgegriffen. Aus diesem Datenpool konnten die Autoren Ergebnisse für 14 der 16 Bundesländer ermitteln. Aufgrund inkonsistenter und/oder unvollständiger Daten mussten zahlreiche Annahmen getroffen und einzelne Parameter geschätzt werden. Ausführliche Angaben zum methodischen Vorgehen der Autoren finden sich in Kapitel 2 der Studie. Wo immer möglich, wurden Annahmen konservativ gewählt, so dass die Ergebnisse der Studie das Ausmaß an fehlenden grundständig ausgebildeten Musiklehrkräften eher unterschätzen.