Hände halten Tablet vor belgischem Hintergrund.
© olddays, ohmega1982, smuki, tinyakov – stock.adobe.com

Kanada: Nationale und regionale Interessen fein ausbalanciert

Kanadas Gesundheitssystem wird staatlich finanziert, aber in den Provinzen verwaltet. Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung ist ein zentrales Koordinationsorgan, das Agenden festlegt, die Investitionen für Digital Health verteilt und eng mit den Provinzen zusammenarbeitet. Eine erfolgreiche Herangehensweise: Im Digital-Health-Index belegt Kanada Platz 2.

  • PDF

Gesundheit ist in Kanada besonders teuer: Pro Kopf werden über 2.000 US-Dollar mehr ausgegeben als im Durchschnitt aller OECD-Staaten. Auch in Sachen Digital Health greift Kanada tief in die Tasche: Mehr als zwei Milliarden kanadische Dollar hat die Regierung inzwischen in die öffentliche Gesellschaft Canada Health Infoway (Infoway) investiert. Kernauftrag der 2001 gegründeten Non-Profit-Organisation ist es, die Einführung einer interoperablen elektronischen Patientenakte (ePA) sowie anderer digitaler Gesundheitsdienste zu fördern und zu beschleunigen.

So kooperiert Infoway beispielsweise mit den Provinzen und privatwirtschaftlichen Akteuren, um den nationalen E-Rezept-Dienst PrescribeIT landesweit aufzubauen. Über PrescribeIT können Ärzte ein E-Rezept an eine Apotheke schicken, die der Patient vorher für sich als „Favorit“ bestimmt hat. Mehr als 3.400 Apotheken in sechs Provinzen sind bereits daran angeschlossen. Auch Ferndiagnosen und -behandlungen per Video sind in vielen Provinzen selbstverständlicher Teil der Versorgung, ebenso sind Gesundheitsportale zu allgemeinen Informationszwecken landesweit etabliert. Der sehr weit fortgeschrittene Digitalisierungsgrad beschert Kanada den zweiten Platz im Digital-Health-Index.

Ähnlich wie Dänemark zeigt der Fall Kanada, dass gerade die regional organisierten Gesundheitssysteme die Digitalisierung erfolgreich in die Regelversorgung bringen - Indem die Steuerung des Gesundheitssystems sowie der E-Health-Strategien zwar zentral gesteuert werden, die Ausgestaltung der einzelnen E-Health-Dienste aber auf regionaler Ebene erfolgt. Das ermöglicht agilere Entwicklungsprozesse - und regional erfolgreiche Digitalisierungsprojekte können später national skalieren.

Strategie

Für Digital Health sind maßgeblich drei strategische Dokumente verantwortlich:

  1. „Advancing the Next Generation of Health Care in Canada“ - ein Investitionsplan von Infoway mit Fokus auf Infrastruktur, Patient Empowerment, Gesundheitsportale und ePA.
  2. „Opportunities for Action“ - ein Strategieplan für den Ausbau von digitalen Diensten wie E-Rezept, E-Überweisung oder Fernüberwachung von chronischen Patienten zu Hause.
  3. „Digital Health Blueprint“ - ein Implementierungsleitfaden für Gesundheitseinrichtungen mit Fokus auf Vernetzung bestehender Dienste und neuen Technologien.

Rahmenbedingungen und regulatorische Faktoren

Neben dem übergeordneten strategischen Rahmenplan, den die Regierung vorlegt und dem die Provinzen folgen, sind diese im Allgemeinen selbst für die Gestaltung der Gesundheitsversorgung verantwortlich. Dabei kooperieren sie eng mit Infoway und definieren schließlich konkrete regionale Ziele und Implementierungsstrategien.

Erfolgsfaktoren

Der politische Wille und das Engagement zur Digitalisierung sind stark ausgeprägt. Als strategischer Investor verteilt Canada Health Infoway Projektfördermittel an einzelne Provinzen. Bisher sind so insgesamt 1,3 Milliarden kanadische Dollar in Digital-Health-Projekte geflossen. Dabei legt Infoway alle drei bis vier Jahre eine strategische Ausrichtung in Abstimmung mit den Provinzen fest und setzt besonders auf die Interoperabilität aller Anwendungen. Das Ergebnis ist ein kohärenter Investitionsplan, in dem die Selbstbestimmung der Regionen gewahrt wird.

Weitere Informationen über den Digitalisierungsstand in Kanada stehen unten zum Download bereit.

Länderbericht Kanada

Publikation: #SmartHealthSystems: Auszug Kanada

Kanadas Gesundheitssystem wird staatlich finanziert, aber in den Provinzen verwaltet. Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung ist ein zentrales ...

Aus unserem Blog

15. April 2024 / Dr. Johannes Leinert: Zusammenarbeit neu denken: Dr. Bernhard Gibis im Interview

Im Rahmen unserer Interviewreihe sprachen wir mit Dr. Bernhard Gibis von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über die Zukunft des deutschen Gesundheitssystems. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und struktureller Herausforderungen plädiert er für eine grundsätzliche Debatte über die zukünftige Gesundheitsversorgung und für eine differenzierte Betrachtung bei der Diskussion über das Tempo von Gesundheitsreformen in Deutschland. […]

26. Oktober 2023 / Jörg Artmann: Digitalisierung und Datenschutz: Thilo Weichert im Interview

Wir sprachen mit Thilo Weichert, dem ehemaligen Datenschutzbeauftragten des Landes Schleswig-Holstein, über die Herausforderungen und Missverständnisse bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland. Er beleuchtet die Rolle der Ärzteschaft, die politischen Rahmenbedingungen und die zentrale Frage des Datenschutzes, um ein umfassendes Bild der aktuellen Situation und der notwendigen Schritte für die Zukunft zu zeichnen. Ärzteschaft […]

12. Mai 2023 / Marion Grote-Westrick: „Wie geht es Ihnen?“ – das Potenzial patientenberichteter Daten besser ausschöpfen

Die Gesundheitsversorgung in Deutschland braucht eine stärkere Patienten- und Ergebnisorientierung. Denn oft genug wissen Ärzte- und Pflegeteams nicht, inwiefern die angestrebten Behandlungsziele bei ihren Patientinnen und Patienten kurz-, mittel- und langfristig eingetreten sind. Um zu erfahren, wie es den Erkrankten wirklich geht, spielen systematisch erhobene Patientenrückmeldungen zu Behandlungsergebnissen und -Prozessen – so genannte Patient-Reported Outcomes (PROs) und Patient-Reported Experiences (PREs) – eine zentrale Rolle. Sie vervollständigen die rein klinische Perspektive auf die Qualität der Gesundheitsversorgung.

16. September 2022 / Sina Busse: Fünf Vorschläge für eine gute Praxis bei der DiGA-Entwicklung

Digitale Gesundheitsanwendungen als Technologie haben ein großes Potenzial für eine niedrigschwellige, am Patientenwohl orientierte Versorgung. Nutzerinnen und Nutzer erlangen mehr Souveränität im Umgang mit der eigenen Gesundheit. Zudem können DiGA Unterstützung bei der Überwindung von Hürden im Gesundheitssystem leisten – etwa bei der Überbrückung langer Wartezeiten bis zum nächsten Behandlungstermin. Wie die nun abgeschlossene Pilotphase unseres Projekts „Trusted Health Apps“ gezeigt hat, sind zwei Faktoren Voraussetzung dafür, ob der Einsatz von DiGA letztlich nutzenstiftend ist. Zum einen: Gibt es detaillierte Informationen über die medizinische Qualität von DiGA, die es erlauben, verschiedene Anwendungen miteinander zu vergleichen? Und zum anderen: Finden diese Informationen ihren Weg zu Ärztinnen und Psychotherapeuten, damit sie DiGA gezielt in die Behandlung von Patientinnen und Patienten integrieren können?