Health and Medicine_2 40121
Keith Brofsky / PhotoDisc

, Gesundheitsmonitor: Palliativmedizin und Sterbehilfe

Der am 6. November 2015 gesetzlich beschlossene Ausbau palliativmedizinischer Versorgung in Deutschland ist im Sinne der Bundesbevölkerung. Jedoch kann sich anders als im Gesetz vereinbart eine Mehrheit der Deutschen vorstellen, alternativ ärztliche Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Zudem fällt es vielen Befragten schwer, überhaupt zum Thema ‚Versorgung am Lebensende‘ Stellung zu beziehen. Dies ergab eine Umfrage im Gesundheitsmonitor 2015 der Bertelsmann Stiftung.

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Im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung beantworteten im Sommer 2015 1.598 Personen Fragen zur Thematik Palliativversorgung und Sterbehilfe. Dabei zeigt sich, dass die Mehrheit der Bürger der (ärztlichen) Beihilfe zur Selbsttötung und Tötung auf Verlangen gegenüber zustimmend eingestellt ist. Gleichzeitig wird aber eine qualifizierte Beratung durch einen palliativmedizinischen Experten dringend erwünscht, bevor die Möglichkeit der Sterbehilfe in Betracht gezogen wird.

Für 73 Prozent der Befragten ist der Wunsch, frei von Schmerzen und schweren körperlichen Leiden zu sein, der wichtigste Aspekt für ein würdiges Sterben. Zu diesem Zweck können sich 38 Prozent der Bürger vorstellen, ihr eigenes Leben trotz guter palliativmedizinischer Versorgung vorzeitig zu beenden, wobei jüngere Befragte diese Möglichkeit häufiger bejahen als ältere. Auffallend ist, dass fast zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten gleichzeitig meinen, dass Ärzte bei unerträglichem körperlichem Leid Medikamente verabreichen dürfen sollten, die den Tod herbeiführen (Tötung auf Verlangen).

Mit Blick auf die möglichen Konsequenzen, Ärzten in bestimmten Fällen Hilfe bei der Selbsttötung zu gestatten, zeigt sich ein breites Vertrauen der Bevölkerung in die Medizinerschaft: 77 bzw. 66 Prozent glauben, dass ärztliche Suizidhilfe unnötiges Leid verringern könnte bzw. dass Ärzte bei einer solchen Regelung die Behandlung ihrer Patienten besser auf deren Werte abstimmen könnten. Zudem zeigt die Erfahrung aus anderen europäischen Ländern, dass sich mögliche Gefahren der ärztlichen Sterbehilfe – zum Beispiel Missbrauch der Regelung oder steigender gesellschaftlicher Druck auf Schwerkranke – bisher nicht bestätigt haben. Vielmehr scheinen dort liberale gesetzliche Regelungen zur ärztlichen Sterbehilfe neben einer gut ausgebauten Palliativversorgung bestehen zu können.

Die Ergebnisse dieser Bürgerbefragung stimmen hinsichtlich des Ausbaus der Palliativversorgung in Deutschland weitgehend mit der neuen Gesetzeslage überein. Fraglich ist aber, ob das schwammig formulierte strafrechtliche Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ die so wichtige Diskussion über das Sterben zwischen Arzt und Patient behindern könnte. Denn selbst die gesetzlich vorgesehene Straffreiheit für Ärzte in Einzelfällen wird dadurch relativiert, dass ihnen die Suizidbeihilfe in vielen Ärztekammerbezirken berufsrechtlich verboten ist. Eine ausführliche Palliativversorgung in Deutschland entspräche den Präferenzen und Werthaltungen in Deutschland noch besser, wenn sie um einen klar definierten gesetzlichen und berufsrechtlichen Handlungsspielraum für Patienten und Ärzte bei der Sterbehilfe erweitert würde.