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Veit Mette

Studie: Fachkräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten im Jahr 2013

Rund 24.000 Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten wanderten im Jahr 2013 nach Deutschland über die entsprechenden Aufenthaltstitel zu; das entsprach knapp 7 Prozent der Gesamtbruttozuwanderung aus Nicht-EU-Staaten. Unter den Fachkräften waren nur wenige Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung. Weitere Fachkräfte werden über andere Kanäle gewonnen, wie Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche, Statuswechsel, Familiennachzug und humanitäre Zuwanderung.

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Gut gestaltete Migration ist eine Quelle für Innovationen und Arbeitsplätze sowie Ursprung bereichernder Vielfalt. Konkret kann Zuwanderung bestehende Fachkräfteengpässe entschärfen; zudem wirkt sie einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung positiv entgegen. Gemeinsam mit einer Steigerung der Erwerbsquoten der Menschen im Inland muss Zuwanderung Teil einer abgestimmten Strategie zur Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland sein.

Die vorliegende Studie untersucht, wie viele Fachkräfte (definiert als Personen mit Hochschulabschluss oder abgeschlossener Berufsausbildung) Deutschland aus Nicht-EU-Staaten im Kontext der allgemeinen Zuwanderung im Jahr 2013 gewinnen konnte.

Im Jahr 2013 zogen insgesamt 884.493 Personen nach Deutschland zu (Bruttozuwanderung), davon 521.509 im Rahmen der EU-Binnenmobilität (59 Prozent) und 362.984 Personen (41 Prozent) aus Nicht-EU-Staaten. Betrachtet man die Verteilung der 362.984 im Jahr 2013 zugereisten Personen aus Nicht-EU-Staaten nach Aufenthaltszweck, so wird deutlich, dass 6,6 Prozent einen Aufenthaltstitel zur Fachkräftezuwanderung erhielten (also 23.997 Personen) und 2,7 Prozent (9.651 Personen) zur sonstigen Erwerbstätigkeit (für eine Beschäftigung, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, wie z. B. Au-Pair-Beschäftigungen; diese Personen sind also keine Fachkräfte gemäß der Definition dieser Studie). Zusammengenommen reisten demzufolge 9,3 Prozent (33.628 Personen) zu, die eine Erwerbstätigkeit aufnehmen konnten. Andere relevante Gruppen sind Personen mit Aufenthaltsgestattung, das heißt

  • Personen, die einen Asylantrag gestellt haben und auf die Entscheidung warten (19 Prozent, 68.974 Personen),
  • Personen, die zum Zweck der Familienzusammenführung zugewandert sind (15,4 Prozent, 56.046 Personen),
  • Personen, die zum Zweck des Studiums oder der Ausbildung zuwanderten (14,3 Prozent, 51.918 Personen) und
  • Personen, die aus humanitären Gründen zuwanderten oder den Status der Duldung erhielten, also trotz negativer Asylentscheidung nicht abgeschoben werden dürfen (9,6 Prozent, 34.820 Personen).

Die am häufigsten an Fachkräfte vergebenen Aufenthaltstitel waren die Aufenthaltserlaubnis für eine qualifizierte Beschäftigung (§ 18 Abs. 4 AufenthG) (71,6 Prozent) und die Blaue Karte EU (11,6 Prozent). Im Vergleich zu 2012 ist die die Bedeutung der Blauen Karte EU gewachsen. Allerdings scheint ein Substitutionsprozess zwischen der Aufenthaltserlaubnis zur qualifizierten Beschäftigung und der Blauen Karte EU stattzufinden, da – um das neue EU-Mitglied Kroatien bereinigt – die Fachkräftezuwanderung zwischen 2012 und 2013 nahezu konstant blieb.

Nach Herkunftsregionen aufgeschlüsselt kamen die meisten Fachkräfte von Nicht-EU-Staaten aus Asien oder dem geographischen Europa. Aus Afrika kamen vier Prozent. Betrachtet man die Hauptherkunftsländer, wird deutlich, dass die meisten Fachkräfte von Nicht-EU-Staaten aus Indien, den USA und China kamen.

Eine wichtige Beobachtung ist, dass bislang nur wenige Fachkräfte über die 2012 neu geschaffenen Zuwanderungsmöglichkeiten für Fachkräfte mit Berufsqualifikationen (§ 6 Abs. 2 BeschV), also Nicht-Akademiker, zugereist sind. Im Jahr 2013 erhielten beispielsweise nur 324 Personen eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 6 Abs. 2 BeschV.   

Die Gesamtzahl der Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, die Deutschland zur Verfügung stehen – oder stehen könnten – ist jedoch größer als die 23.997 mit den entsprechenden Aufenthaltstiteln eingereisten Personen: Zusätzliche Fachkräfte werden gewonnen durch

  • befristete Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche,
  • Statuswechsel,
  • Familiennachzug und
  • humanitäre Zuwanderung.

Eine belastbare Bezifferung dieser Personengruppen ist jedoch aufgrund der gegenwärtigen Datenlage nicht möglich.

2013 reisten 107 Personen ein, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18c AufenthG erteilt wurde. Die Aufenthaltserlaubnis zur Arbeitsplatzsuche erleichtert als Übergangsschritt einigen Fachkräften die Zuwanderung nach Deutschland, indem sie nach erfolgreicher Arbeitssuche einen Aufenthaltstitel zur Fachkräftezuwanderung erhalten. Auch wenn die Anzahl der Personen, die 2013 im Rahmen dieser Aufenthaltserlaubnis nach Deutschland kamen, überschaubar ist, steigt sie derzeit weiter an.

4.694 Personen wechselten von einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums oder der Arbeitsplatzsuche nach Abschluss einer deutschen Hochschule in einen Aufenthaltstitel zur Fachkräftezuwanderung. Weitere 749 Personen wechselten von einer Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäftigung, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, ebenfalls in einen Aufenthaltstitel zur Fachkräftezuwanderung.

Fachkräfte finden sich auch unter den Personen, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen – diese gehen jedoch nicht notwendigerweise einer Beschäftigung nach oder sind nicht ihren Qualifikationen entsprechend berufstätig. Eine Studie des BAMF geht davon aus, dass ca. 55 Prozent der Ehepartner aus dem Ausland einen Studien- oder Berufsabschluss besitzen. Allerdings sind lediglich 15 Prozent dieser Abschlüsse in Deutschland als gleichwertig anerkannt. Nur 30 Prozent der berufstätigen Ehepartner aus dem Ausland mit einer im Herkunftsland erworbenen Berufsausbildung arbeiten in ihrem ursprünglichen Beruf.

Hinzu kommen Fachkräfte, die entweder einen Asylantrag gestellt oder bereits einen Schutzstatus erhalten haben. Momentan ist es allerdings nicht möglich, diese mit belastbaren Zahlen zu quantifizieren.

Trotz dieser zusätzlichen Kanäle ist die Quantität der Fachkräfte, die Deutschland durch Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zur Verfügung stehen, überschaubar. Jüngste Berechnungen von Experten gehen davon aus, dass die Zuwanderung nach Deutschland im Rahmen der EU-Binnenmobilität mittel- und langfristig zurückgehen wird und wir auf mehr Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten angewiesen sein werden, um den Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials zumindest abzuschwächen. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Struktur würde Deutschland vor allem von einer höheren Zuwanderung hoch qualifizierter und qualifizierter Personen profitieren. Durch mehr Fachkräftezuwanderung wäre ferner sowohl mit steigenden Staatseinnahmen als auch mit Innovation und der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze zu rechnen.

Mit Blick auf die mittelfristige Notwendigkeit, verstärkt Fachkräfte aus Drittstaaten zu gewinnen, besteht weiter ein Reformbedarf des deutschen Systems der Zuwanderungssteuerung. Deutschland braucht eine attraktive, transparente und flexibel anpassbare Migrationsarchitektur, insbesondere im Hinblick auf die Schwankungen der EU-Binnenmobilität. Diese muss qualifizierten Zuwanderern langfristige Bleibeperspektiven einräumen und eine zügige Einbürgerung in Aussicht stellen. Die Willkommens- und Anerkennungskultur ist zu fördern – nicht nur für neu zuwandernde Fachkräfte, sondern auch für die bereits im Land lebenden Migranten.

Die Migrationsgestaltung muss Teil einer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung sein, die auch eine bessere Berücksichtigung der Potenziale im Inland beinhaltet. Dabei ist es wichtig, mehr Transparenz über Zuwanderung herzustellen, ihre demokratische Legitimation zu stärken und die Bevölkerung mitzunehmen.