Lupe mit den Koalitionsfarben Rot, Grün und Gelb auf das Reichstagsgebäude gerichtet

Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung: Koalition setzt trotz Streits viele Versprechen um

Die Ampel hat zur Halbzeit der Legislaturperiode bereits fast zwei Drittel ihres ambitionierten Koalitionsvertrages entweder umgesetzt oder angepackt. Das zeigt unsere aktuelle Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum. Überlagert wird die vielversprechende Halbzeitbilanz allerdings durch den öffentlich inszenierten Koalitionsstreit. Entsprechend unzufrieden und enttäuscht zeigen sich die Wähler:innen in Deutschland.

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Prof. Dr. Robert Vehrkamp
Senior Advisor

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Zur Halbzeit der Legislaturperiode hat die Ampel bereits knapp zwei Drittel (64 Prozent) ihres ambitionierten Koalitionsvertrages entweder umgesetzt (38 Prozent) oder mit der Umsetzung ihres Vertrages begonnen (26 Prozent). Das ist das zentrale Ergebnis der Analyse "Mehr Koalition wagen - Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021" unserer Stiftung in Kooperation mit der Universität Trier und dem Progressiven Zentrum. Im Einzelnen zeigt sich in der Analyse folgendes Bild: Von ihren insgesamt 453 Koalitionsversprechen sind 174 bereits voll oder teilweise erfüllt (38 Prozent). Darüber hinaus befinden sich weitere 55 Vorhaben (12 Prozent) im Prozess ihrer Erfüllung. Weitere 62 (14 Prozent) wurden substanziell angegangen, ihre Erfüllungsgrad ist aber noch nicht absehbar. Insgesamt 162 Versprechen (36 Prozent) wurden bislang weder erfüllt noch angegangen.

Halbzeitbilanz Koalitionsversprechen 2021

Vielversprechende Halbzeitbilanz

"Im Vergleich zur Halbzeitbilanz ihrer Vorgängerregierung hat die Ampel mit 38 statt 53 Prozent bereits erfüllter Versprechen damit anteilig zwar weniger, aber mit 174 statt 154 erfüllten Versprechen in absoluten Zahlen gerechnet, sogar etwas mehr geschafft. Das gilt für die großen Reformprojekte der Regierung ebenso wie für die eher kleineren Regierungsvorhaben", sagt unser Demokratie-Experte Robert Vehrkamp.

Eine insgesamt sehr vielversprechende Halbzeitbilanz, die aber überschattet und geprägt ist von öffentlich inszeniertem Koalitionsstreit und vielen offenen Baustellen.

Robert Vehrkamp, Demokratie-Experte der Bertelsmann Stiftung

Ambitionierter Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung aus dem Jahr 2021 enthält insgesamt 453 "echte" Regierungsversprechen. Als "echte" Versprechen hat das Forscher:innen-Team nur solche Vorhaben eingestuft, deren Erfüllung anhand klarer Kriterien nachprüfbar ist. Im Ampel-Vertrag sind das gut 50 Prozent mehr als die 296 Versprechen der Großen Koalition im Koalitionsvertrag von 2018. Gegenüber dem Koalitionsvertrag 2013 mit 188 Versprechen hat die Ampel sogar fast zweieinhalb Mal so viele Regierungsvorhaben vereinbart. "Die große Anzahl der Versprechen spiegelt zum einen die Komplexität der Ampel als einer lagerübergreifenden Koalition aus drei programmatisch eigenständigen Parteien, zum anderen aber auch das höhere Ambitionsniveau des Ampel-Vertrages, wider", erläutert Theres Matthieß von der Universität Trier, Mitautorin der Studie.

Vertrauen in die Umsetzungstreue eingebrochen

Im Kontrast zum Ambitionsniveau und Umsetzungsstand ihres Koalitionsvertrages steht die Ampel-Regierung in der öffentlichen Wahrnehmung als "Streitkoalition" dar: Nur noch 12 Prozent aller Menschen in Deutschland meinen, dass von den vereinbarten Koalitionsversprechen "alle, fast alle oder ein großer Teil" umgesetzt werden. 43 Prozent aller Befragten gehen sogar davon aus, es werde nur „ein kleiner Teil oder kaum welche“ umgesetzt. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach in unserem Auftrag. "Der öffentlich inszenierte Koalitionsstreit führt dazu, dass die tatsächliche Regierungsleistung und Umsetzungstreue unterschätzt wird. Deshalb braucht die Ampel einen Neustart in ihrer koalitionsinternen Zusammenarbeit und Selbstdarstellung", sagt Wolfgang Schroeder vom Progressiven Zentrum.

Bevölkerung unzufrieden mit Regierungsparteien

Gleichzeitig zeigen sich nur jeweils etwa ein Viertel der Menschen in Deutschland mit der Arbeit von SPD (25 Prozent), BÜNDNIS 90/GRÜNE (23 Prozent) und FDP (22 Prozent) "sehr oder eher" zufrieden. Mehr als sechs von zehn der Befragten sind dagegen "eher oder sehr" unzufrieden mit der Performanz der Regierungsparteien (SPD: 62 Prozent, GRÜNE: 67 Prozent, FDP: 62 Prozent). "Auffällig ist dabei, wie wenig die meisten Menschen zwischen den drei Regierungsparteien differenzieren. Die Regierung wird von den meisten Menschen als eine Einheit gesehen und beurteilt", erläutert Vehrkamp und ergänzt abschließend: "Nur wenn die Ampel mehr Koalition wagt, wird sie bei den Wählern auch das Vertrauen ernten, das ihre vielversprechende Halbzeitbilanz eigentlich verdient hätte."

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