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The bigger picture: Megatrend-Report sieht wachsende Polarisierungsgefahr

Globalisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel sind für sich genommen schon große Herausforderungen für eine Gesellschaft. Wir fragen uns: Wie wirken sie zusammen? Der erste Megatrend-Report unserer Stiftung versucht, die zu erwartende Wirkung auf die internationale Arbeitsteilung und die Rückwirkungen auf Deutschland zu analysieren.

Foto Thieß Petersen
Dr. Thieß Petersen
Senior Advisor

Der demografische Wandel lässt die Bevölkerung in hoch entwickelten Industriegesellschaften wie Deutschland altern. Die Globalisierung verändert das Antlitz der Welt nicht nur durch den Aufstieg Asiens, sondern auch durch sich ändernde politische Rahmenbedingungen, die zum Beispiel den gegenseitigen Nutzen von Handelsbeziehungen in Frage stellen. Gleichzeitig modifiziert die Digitalisierung Ausgangslagen und Zukunftsperspektiven der Menschen maßgeblich. Daraus ergeben sich unmittelbare Konsequenzen für die individuelle Teilhabe am sozialen Leben und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der Megatrend-Report "The Bigger Picture" (siehe Info-Box) analysiert einige der wesentlichen Veränderungen – und zeigt auf, wo Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Antworten geben müssen. Denn die anstehenden Veränderungen werden unsere Gesellschaften nicht per se verbessern.

Die Digitalisierung wird insgesamt dabei helfen, den Wohlstand zu steigern. Sie hilft, Produktionsprozesse zu optimieren, und steigert auch die Bedeutung immaterieller Güter wie Daten oder Patente bis hin zur Bildung. In vielen Branchen zeichnet sich durch die Automatisierung allerdings auch ein Verlust von Arbeitsplätzen ab. Die Einkommensschere droht – trotz steigender Produktivität und anhaltendem Wachstum – weiter auseinanderzugehen. Vor allem Geringqualifizierte würden darunter leiden. Dies gilt in besonderem Maß für Industrieländer wie Deutschland, in denen Geringqualifizierte sowohl durch die Konkurrenz mit Unternehmen aus Niedriglohnländern als auch durch den verstärkten Einsatz von Software, Computern und Robotern unter Druck geraten.

Gewinner sind vor allem Schwellenländer – einige Entwicklungsländer werden abgehängt

Der Fachkräftemangel auf der einen, steigende Ausgaben für Renten auf der anderen Seite lassen alternde Industrieländer insgesamt an internationaler Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Junge, demografisch begünstigte Schwellenländer können dagegen Boden gut machen. Insbesondere den rohstoffarmen Entwicklungsländern fehlt jedoch ein zentraler Wettbewerbsvorteil, um erfolgreich zu den entwickelten Ländern im globalen Norden aufzuschließen: günstige Arbeitskraft ohne Kapital wird hierfür nicht mehr ausreichen. Sie drohen damit dauerhaft wirtschaftlich abgehängt zu bleiben.

Die technologischen und demografischen Veränderungen führen zu einer Neuverteilung staatlicher und privater Verantwortung: Im Bereich der Altersvorsorge gibt der Staat zukünftig mehr Verantwortung an die privaten Haushalte ab. Bei Fragen der Cyber-Sicherheit und der Industriepolitik könnten sich ganz neue staatliche Handlungsfelder ergeben. Individuelle Eigenverantwortung gewinnt in gleichem Maße an Bedeutung, wie die Ansprüche an staatliche Effizienz und Handlungsqualität steigen.

Der somit zu erwartende strukturelle Wandel der Wirtschaft konfrontiert die Bevölkerung mit erheblichen Veränderungen. Hierdurch kann ein hohes Maß an Verunsicherung entstehen. Gerade deshalb sind in solchen Zeiten des Umbruchs verlässliche soziale Sicherungssysteme erforderlich, die den Menschen die Gewissheit geben, den Strukturwandel aktiv mitgestalten zu können. Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender unserer Stiftung, ist der Überzeugung: "Der soziale Sicherheitsgurt hilft, gesellschaftliche Spannung abzumildern und eine politische Polarisierung zu verhindern." Den ausgleichenden Sozialstaat aufrecht zu erhalten, sei gerade für alternde Industrienationen eine Herausforderung. Schon heute fließe ein stetig wachsender Teil ihrer Staatseinnahmen in Renten, Pensionen, Pflege und Gesundheit – und das bei abnehmender Wettbewerbsfähigkeit.

Der Megatrend-Report "The Bigger Picture" ist der Auftakt einer neuen Publikationsreihe unserer Stiftung. Diese analysiert die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten der Megatrends Globalisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel. Durch das Herauszoomen aus der einzelfachlichen Perspektive sollen deren Zusammenhänge und ihre Konsequenzen ein größeres Bild ergeben. De Geus sagt zur Bedeutung der Megatrends: "Der gesellschaftliche Wandel ist heutzutage global und zwingt uns, alte Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Mit dem Megatrend-Report wollen wir über den Tellerrand einzelner Megatrends hinausblicken und ein Gesamtbild der gesellschaftlichen Veränderungen unserer Zeit zeichnen."

Megatrends verändern unser Leben und sind gleichzeitig Resultat einer veränderten Lebensweise.

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davon beeinflussen die Teilhabechancen in besonderem Maße. Mit unseren Projekten wollen wir dazu beitragen, Menschen zu befähigen, unsere Gesellschaft im Wandel aktiv mitzugestalten.