Eine älter werdende Bevölkerung, ein steigender Pflegebedarf, ein Ausbau der Pflegestellen und eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte – all dies wird in den kommenden Jahrzehnten zu einem deutlichen Anstieg der Ausgaben für professionelle Pflege führen. Nach aktuellen Berechnungen steigt der Beitragssatz zur Sozialen Pflegeversicherung je nach Szenario von derzeit gut drei Prozent auf knapp unter fünf Prozent im Jahr 2050. Die Prognosen zeigen auch, dass von den finanziellen Mehrbelastungen vor allem die jüngeren Generationen betroffen wären. Der Wechsel der geburtenstarken Jahrgänge von der Gruppe der Beitragszahler in die der Empfänger von Pflegeleistungen wird die Situation zusätzlich verschärfen. Der Ausgleich zwischen den Generationen im Umlagesystem der Sozialen Pflegeversicherung droht aus der Balance zu geraten. Aus den Berechnungen lässt sich ableiten, dass die Finanzierungsgrundlage neu ausgestaltet werden sollte.
Wie die Pflegeversicherung generationengerechter finanziert werden kann
Wir haben verschiedene Szenarien zur künftigen Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung aufstellen lassen und dabei die unterschiedlichen Belastungen für jüngere und ältere Beitragszahler in den Blick genommen. Der Ausbau des Pflegevorsorgefonds würde die jüngeren Generationen entlasten. Eine vorgezogene Anhebung des Beitrags und ein Zuschuss aus Steuermitteln könnten die zusätzlichen Kosten decken.
Generationengerechtigkeit in der Sozialen Pflegeversicherung stärken
Angesichts des von uns prognostizierten finanziellen Bedarfs reicht der jetzige Pflegevorsorgefonds für die zu bewältigende Finanzierungsaufgabe nicht aus. Auch die von der Versicherungswirtschaft vorgeschlagene Stärkung der Privatvorsorge ist nicht zielführend. "Wir brauchen bei der Pflege einen neuen Generationenausgleich innerhalb des solidarischen Umlagesystems. Denn auch an der Vorsorge müssen alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligt werden", sagt Brigitte Mohn, Vorstand unserer Stiftung. Daher haben wir die Möglichkeiten der Finanzierung in der Sozialen Pflegeversicherung insbesondere mit Blick auf ihre Belastung für die jeweiligen Generationen untersucht.
Die beste Möglichkeit, um den steigenden Ausgaben zu begegnen und zugleich mehr Gerechtigkeit zwischen den Generationen zu schaffen, besteht unserer Studie zufolge darin, eine vorgezogene, moderate Anhebung des Beitragssatzes mit einem über die Jahre steigenden Zuschuss aus Steuermitteln zu verbinden. Dieser Bundeszuschuss läge zu Beginn bei jährlich 9,6 Milliarden Euro und würde bis 2050 auf 24,5 Milliarden Euro ansteigen. Die zunächst überschüssigen Mittel könnten dann in den bereits existierenden Pflegevorsorgefonds fließen und dazu dienen, den Beitragssatz bis 2050 stabil bei 3,5 Prozent zu halten. Durch den Ausbau des Fonds würden die künftigen Generationen am wenigsten zusätzlich belastet.
Leistungsfähigkeit aller Versicherten berücksichtigen
Die Einführung eines Zuschusses aus Steuermitteln würde nicht nur dazu führen, dass die Beitragszahler entlastet werden, sondern auch dazu, dass Besserverdienende stärker als bisher mit herangezogen würden. Diese sind heute oftmals privat versichert und müssen sich daher nicht an dem Solidarausgleich der Sozialen Pflegeversicherung beteiligen. "Unabhängig davon müssen wir uns bei der Pflege- wie bei der Krankenversicherung fragen, ob die Aufspaltung in ein gesetzliches und privates Versicherungssystem noch zeitgemäß ist", so Mohn.
Aufwertung des Pflegeberufs als Empfehlung
Neben der Finanzierung haben wir weitere Faktoren untersucht, die für eine zukunftsfähige, bedarfsgerechte und qualitätsorientierte Pflegeversorgung in Deutschland von Bedeutung sind. Dazu zählen insbesondere die verfügbaren Pflegekräfte. Zwar ist der Personalbestand in der ambulanten und stationären Pflege von 2007 bis 2017 um durchschnittlich 25.000 Vollzeitstellen pro Jahr gewachsen. Doch diese Zunahme reicht nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken. Hinzu kommt, dass der Anteil der ausgebildeten Pflegefachkräfte am Gesamtpersonal im selben Zeitraum kontinuierlich zurückgegangen ist. Vor dem Hintergrund höherer Anforderungen und den sich wandelnden Aufgaben in der Langzeitpflege empfehlen wir, den Pflegeberuf durch ein gestuftes Qualifikationsmodell aufzuwerten. So sollte es mehr Fachkräfte mit einem pflegewissenschaftlichen Hochschulabschluss geben, der hierzulande bisher nur eine marginale Rolle spielt. Wie Erfahrungen aus dem Ausland, etwa in den Niederlanden, zeigen, kann die Qualität der Pflege mit einer höheren Qualifikation der Pflegekräfte und einem intelligenten Fachkräftemix verbessert werden.
Zusatzinformationen
Die hier dargestellte Prognose basiert auf Modellrechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos. Diese wurden mit dem Sozialversicherungsmodell OCCUR durchgeführt. OC-CUR (Outlook on Cure, Care, Unemployment and Retirement) ist ein integriertes Prognose- und Simulationsmodell, welches die zukünftige Entwicklung der Finanzierungsströme in und zwischen den Sozialversicherungssystemen detailliert abbildet. Die Berechnungen von Ein-nahmen und Ausgaben der einzelnen Sozialversicherungszweige (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) werden dabei in einem konsistenten Referenzrahmen zur weltwirtschaftlichen Entwicklung (Prognos-Makromodell VIEW) durchgeführt. Die demografischen Rahmenbedingungen basieren auf der 13. koordinierten Vorausberechnung des Statis-tischen Bundesamts (Variante 2-A von 2017). Der Prognose zufolge nehmen die nominalen Lohnkosten (Arbeitnehmerentgelt je Stunde) in den beiden kommenden Dekaden um knapp vier Prozent pro Jahr zu. Die Zuwachsraten für die Bruttolöhne und -gehälter, in denen die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen nicht enthalten sind, liegen knapp darunter. Gegen Ende der 2030er Jahre, wenn die Dynamik des Anstiegs der Sozialbeiträge nachlässt, pendeln sich die Lohnzuwächse auf einem Niveau von etwa 3,5 Prozent ein. Die Zuwachsraten des realen Stundenlohns liegen bei rund 1,6 Prozent pro Jahr und damit in etwa auf dem Niveau des Produktivitätsfortschritts.